Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
fragte sie aufgebracht und zwang Taro, sich selbst im Spiegel zu betrachten.
Unwillkürlich dachte er an den verspiegelten Raum in Manaks Domizil. Dann vertrieb er den Gedanken und wandte sich vom Spiegel ab – aber nicht von seiner Mater. »Du brauchst dir keine Sorgen um mich machen.«
»Das denken alle in deinem Alter.«
»Dann dachtest du es also auch einmal. Von dir, meine ich.«
Sie lächelte widerwillig. »Du warst bei Jinu. Aber mit ihr hast du dich nicht geprügelt, oder etwa doch?«
Er versuchte, seine Gedanken vor seiner Mater abzuschirmen, und möglicherweise gelang es ihm sogar, denn ein irritierter Ausdruck huschte über Canas Gesicht.
»Nein«, sagte er, um sie abzulenken. »Bestimmt nicht. Das war Nier. Er ist so ein Idiot!« Er berichtete von der Tierquälerei.
Canas Züge wurden weich, und Taro las das in ihren Augen, was ihm am besten gefiel, wenn sie unter vier Augen miteinander sprachen: Sie war stolz auf ihren Jungen.
Er hoffte, dass sie auch spürte, wie stolz er auf sie war.
Und dass sie seine Entscheidung eines Tages respektieren würde. Die Entscheidung, was seine künftige Gefährtin betraf.
»Morgen ist der Turm für alle geöffnet«, versuchte er ein neues Manöver, um seine Mater davon abzuhalten, weiter in seinem Geist herumzustöbern. »Willst du auch Abschied von Manak nehmen? Er liegt in einem Schrein, den der Verkünder aufstellen ließ.«
»Woher weißt du das?«
Sie nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um ihn in die Enge zu treiben und zu einer unbedachten Äußerung zu verführen.
Aber er war auf der Hut. »Eloy sagte es. Offenbar wurden die Priester von Ventor informiert.«
»Eloy also.« Cana wirkte nicht, als würde sie ihm Glauben schenken.
»Wirst du hingehen?«, wiederholte er seine Frage.
»Begleitest du mich?«
Obwohl ihm die Vorstellung, erneut den Raum mit dem Schrein zu betreten und sich den brennenden Blicken eines Toten auszusetzen, den kalten Schweiß aus den Poren trieb, erwiderte er: »Wenn du es wünschst.«
Sie musterte ihn lange und stumm. Dann machte sie eine verneinende Geste. »Es ist sicher klüger, dass du noch einmal in dich gehst und die wenige Zeit dafür verwendest, die dir noch bleibt, um dich auf deine große Stunde vorzubereiten. Ja, ich werde mich von Manak verabschieden – aber allein. Es sei denn, du bestehst darauf, mich zu begleiten. «
»Ich werde mich deiner Erfahrung beugen und auf den Eponen-Wettstreit vorbereiten.«
*
Mitten in der Nacht wurde Taro wach, weil ihn stechende Schmerzen im Gesicht peinigten. Sie hatten ihren Ursprung in der Schwellung um sein Auge, die während des Schlafs nicht, wie erhofft, vollständig abgeklungen war, sondern sich im Gegenteil verschlimmert hatte.
Schließlich öffnete sich die Tür zu seiner Kammer, und Cana kam herein. Nicht einmal ihr eigener Schlaf hatte sie davor bewahren können, dass sie auf einer höheren Ebene spürte, wie schlecht es ihrem Sohn gesundheitlich ging.
»Taro!« Sie trug eine Lampe bei sich, die Taros fiebrigen Züge fast wächsern blass aus der Dunkelheit schälten.
Er versuchte gar nicht erst, den Ernst der Lage herunterzuspielen. »Mir geht es nicht gut. Ich habe große Schmerzen. Und ich sehe kaum etwas auf dem linken Auge.«
Sie besah sich die Bescherung, dann sagte sie: »Es hat sich entzündet. Ich verständige einen Heiler!«
Durch die fieberige Hitze hindurch merkte Taro, wie sich sein Magen zu einem kalten Klumpen zusammenzog. »Aber nicht den Vada von Nier. Nicht ihn, versprich mir das!«
Sie stellte keine Fragen. »Ich will sehen, was ich tun kann. Ich werde kurz weg sein, aber so schnell wie möglich wiederkehren. Vorher gebe ich dir etwas, das die Entzündung herauszieht.«
Sie eilte davon und kehrte mit einem kalten Wickel zurück, den sie mit einem Kräutersud getränkt hatte.
Es linderte die Schmerzen kaum, aber Taro wartete tapfer auf die Rückkehr seiner Mutter, die sich viel länger hinzog als erwartet.
Als sie schließlich kam, hatte sie den Heiler gleich dabei.
Der Heiler verabreichte ihm eine Medizin und sprach ihm Mut zu. Viel bekam Taro auch davon nicht mit. Er fiel kurz darauf in einen tiefen Schlaf.
*
Als Taro aufwachte, fühlte er sich viel besser, aber das Auge bereitete immer noch Probleme.
Es war heller Tag. Die Sonne schien durch den Blumenvorhang, den Cana gepflanzt hatte.
Fast blind auf der linken Seite richtete er sich im Bett auf und rief nach seiner Mater.
Als sie nicht gleich kam, fiel ihm
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