Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
den sphärischen Körper eines Eponen, der die verscheuchten Wesen an Größe und Wildheit weit in den Schatten stellte.
Taro traute seinen Augen nicht, als er sah, wie dieser anbetungswürdige Epone sich ohne Umschweife dem Kandidaten seiner Wahl zuwandte, und das war …
… Nier!
Wie von einem unsichtbaren Lasso geführt, glitt der Heros auf Nier zu, und die Zuschauer auf den Rängen und davor hielten den Atem an.
Niers Miene verriet, was in ihm vorging. Er malte sich in den schillerndsten Farben aus, wie sein künftiges Leben verlaufen würde – wie er einen Eponen dieser Qualität reiten und jeden in seinen Bann ziehen würde, der ihm begegnete.
Dann kam der Moment der Entscheidung.
Und sie wurde auf eine Weise vollzogen, die Nier erschüttern musste – und für die auch Taro zunächst keinerlei rationale Erklärung hatte.
Nier hatte sich eigentlich schon zum sicheren Sieger um die Gunst des Eponen aufgeschwungen. Doch dann spürte Taro, wie das transzendent wirkende Wesen seinen bereits eingeschlagenen Kurs, der es zu Nier geführt hätte, änderte …
… und in einem Moment, der keinerlei Zeit zu beanspruchen schien, einen gewaltigen Satz auf Taro zumachte.
Die Nüstern des halb durchscheinenden Wesens blähten sich auf, als hätte es eine unwiderstehliche Witterung aufgenommen.
Und so tauchte es unmittelbar vor dem im Staub liegenden Taro auf, beugte sein gewaltiges Haupt zu ihm herab – und beschnupperte ihn.
Gleichzeitig hatte Taro das Gefühl, von dem wundersamen Wesen durchleuchtet zu werden, bis auf den Grund seiner Seele. Eponen wurden allein über eine mentale Verbindung mit ihrem Reiter gesteuert. Im Idealfall kam es zu einer so engen geistigen Verknüpfung, dass beide eigentlich so unterschiedlichen Wesen auf mentaler Ebene buchstäblich miteinander verschmolzen, dass sie nahezu eins wurden.
Doch während dieser hier, den er eigentlich schon an Nier verloren gehabt glaubte, es sich offenbar nicht nehmen ließ, sich immer mehr auf ihn einzulassen, verhielt es sich umgekehrt so, dass plötzlich die Sorge in Taro überhandnahm, eines Eponen wie diesem würdig zu sein.
Gleichzeitig aber sehnte er seine Verschmelzung mit ihm herbei, damit er in die Lage versetzt würde, über Karols Oberfläche hinwegzuziehen und zu jedem beliebigen Ort auf dem Planeten zu gelangen.
Doch hier ging es um mehr.
Es dauerte oft Monate, manchmal sogar Jahre, bis ein Reiter herausfand, dass er einen jener seltenen Heros-Eponen erobert hatte. Nur ein Heros-Epone würde die Möglichkeit bieten, die Grenzen des Planeten, ja sogar die Grenzen des Sonnensystems zu überwinden.
Mit ihm konnte man andere Sterne besuchen, zu fernen Welten fliegen, noch unbekannte Zivilisationen finden und kennenlernen.
War das hier ein Heros-Epone?
Taro wusste nicht, ob einfach nur der Wunsch, einen Heros-Eponen für sich zu gewinnen, zu stark war, aber er glaubte zu spüren, dass dieser Epone kein gewöhnlicher Epone war.
Während die Kontaktversuche des Eponen immer ungestümer und eindeutiger wurden, vermochte Taro seine Zurückhaltung kaum abzustreifen.
Er blickte zu den Rängen, wo auch Jinu dem Ausgang des Wettbewerbs entgegenfieberte. Aber sie war zu weit weg, als dass er von ihr ein Zeichen hätte erwarten können.
Es war seine Entscheidung. Wenn Taro ihn annahm, wenn er ihn wählte und seinen Geist in diesen Eponen sinken ließ, würde sich diese Verbindung nie wieder rückgängig machen lassen. Sie würde bis zu seinem Tod anhalten.
Was genau aus Eponen wurde, die einmal das Band mit einem Individuum eingegangen waren, das später starb, wussten nicht einmal die Prana-Priester oder Exerzitoren zu beantworten. Man glaubte, dass verwaiste Eponen in den Tiefen des Himmels oder des Alls untertauchten, um eines Tages einen neuen Reiter zu erwählen. Manche behaupteten, die Eponen würden nach dem Verlust ihres Besitzers auch nicht mehr weiterleben wollen und ihrem Dasein ein unwiderrufliches Ende setzen, indem sie einfach in die nächste Sonne flogen und darin verpufften.
Aber es gab fast so viele Theorien wie Reiter. Und alle glaubten, auf der richtigen Spur zu sein.
»Hau ab, verschwinde!«, hörte er die Stimme von Nier. »Lass ihn bloß in Ruhe! Das ist meiner!«
Taro hatte Nier völlig vergessen – aber der Rivale rief sich selbst mit wutentbrannter Stimme in Erinnerung. Durch den roten Staub stapfte er auf Taro und den über ihm schwebenden Eponen zu, die Hände zu Fäusten geballt, das Gesicht zu einem
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