Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
Vom Netzwerk:
suchten Kierans Blick. »Die Moral ist am Boden, weißt du.«
    »Wie könnte sie das nicht sein?«
    »Matt Allbright ist heute nicht gekommen, um mich abzulösen. Ich habe ihn am Bett seiner Mutter gefunden. Er sagte, es sei sinnlos weiterzusuchen, weil wir sie niemals finden würden. Zu viel Zeit ist vergangen. Und er ist nicht der Einzige, der das sagt.«
    »Ich bin mir nicht sicher, was ich dagegen unternehmen kann, Sarek«, antwortete Kieran und wünschte sich, er wüsste es. Resigniert stellte er fest, dass er wie der alte Kieran klang, der Kieran, der nie wusste, was zu tun ist.
    »Alles, was ich weiß, ist, dass ich mehr Arbeit bei weniger Freizeit habe«, sagte Sarek. »Und ich sehe immer mehr Leute, die ihre Pflichten vernachlässigen und durchhängen. So kann das Schiff nicht funktionieren.«
    Kieran setzte seinen Teebecher im Tassenhalter neben dem Sitz des Captains ab und lehnte sich zurück. Er vertraute Sarek fast ebenso sehr wie Arthur. Der Junge war verlässlich wie kaum ein anderer. »Was macht deiner Meinung nach den Unterschied aus?«
    Sarek sah ihn verwirrt an.
    »Du hast nicht aufgegeben. Was ist der Unterschied zwischen dir und Matt Allbright?«
    Sarek stützte sich mit dem Ellbogen auf der Armlehne seines Sessels ab und dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich stehe jeden Morgen auf, richte mich gen Mekka und spreche meine Gebete.«
    »Und das hilft?«
    Sarek zuckte mit den Schultern. »So würde es mein Vater wollen.«
    Kieran nickte und dachte zurück an die schreckliche Nacht, als er nahezu am Ende seiner Kräfte war – die Nacht, in der die Stimme gekommen war, um ihn zu trösten.
    »Also glaubst du an Gott«, stellte Kieran fest.
    »O ja.«
    »Wieso?«
    Die Frage schien Sarek zu überraschen. »Es erscheint mir einfach offensichtlich, denke ich. Dass es etwas geben muss, das hinter alldem steckt.« Er deutete aus dem Fenster, wo ein oder zwei Sterne matt durch den Nebel blinzelten. »Ich meine, die gesamte Schöpfung? Dich? Mich? Einfach nur ein Resultat irgendeines kosmischen Unfalls? Das scheint mir nicht realistisch zu sein.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Kieran nachdenklich. »Aber denkst du, wir sind in der Minderheit?«
    »Was meinst du damit?«
    »Denkst du, wir sind die einzigen Gläubigen an Bord?«
    Sarek schüttelte den Kopf. »Nicht auf lange Sicht gesehen. Auf jeden Fall nicht mehr. Mein Vater hat immer gesagt, in Schützengräben gibt es keine Atheisten.«
    »Wieso wurde deine Familie nicht für das andere Schiff ausgewählt?«, fragte Kieran. Das war etwas, worüber er sich oft bei seiner eigenen, spirituell eingestellten Familie gewundert hatte, die nie so recht auf die
Empyrean
gepasst hatte.
    Sarek zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, muslimische Familien hätten auch nicht auf das andere Schiff gepasst.«
    Kieran nickte nachdenklich.
     
    In dieser Nacht lag Kieran im Bett des Captains und dachte darüber nach, wie er die Jungen bis jetzt geführt hatte. Er war praktisch, logisch und verantwortungsbewusst vorgegangen, aber er hatte sie nicht inspiriert.
    »Bin ich dabei, bei ihnen zu versagen?«, flüsterte er in die Dunkelheit.
    Sie brauchen eine Vision,
sagte die Stimme.
    Er setzte sich auf, die Laken raschelten um seine Beine.
    »Bist du wirklich da?«, flüsterte er. »Was soll ich tun?«
    Gib ihnen eine Vision.
    »Wie?«
    Du wirst einen Weg finden.
    »Ich brauche mehr als das!«, rief er.
    Aber er war wieder allein.
    Eine Vision, hatte die Stimme gesagt. Das war es, was den Jungen fehlte. Ein Ziel, das ihnen vor Augen geführt wurde, auf das sie hinarbeiten konnten, selbst wenn sie trauerten. Kieran erinnerte sich an die Nacht, in der so viele Jungen erfahren hatten, dass sie ihre Eltern bei dem Shuttle-Hangar-Massaker verloren hatten – und an die Predigt, die er gefunden hatte. Diese Predigt hatte ihnen genug Hoffnung gegeben, um es weiter zu versuchen oder zumindest nicht aufzugeben, denn, so wurde Kieran jetzt klar, es hatte ihnen geholfen, sich immer noch mit denen, die sie verloren hatten, verbunden zu fühlen – ganz so, wie Sarek es gesagt hatte.
    Er musste mehr Predigten wie diese finden.
    Kieran stand auf, schaltete die Schreibtischlampe ein und durchsuchte den Rechner des Captains. Er fand den Ordner mit den Predigten und las Titel wie
Öde Leiber, fruchtbare Herzen
und
Unsere Pflanzen sind unsere Kinder.
Wenige der Predigten berührten die Probleme, die sich ihm und den Jungen stellten, aber er las sie alle. Sie sprachen von der

Weitere Kostenlose Bücher