Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Markem. Er hielt eine blasse Hand über seinen Bauch, als sei ihm schlecht.
»Trennt sie, einer pro Zelle«, befahl Kieran, stand auf und war erst jetzt erstaunt über das, was er getan hatte. »Sie hätten schon vor langer Zeit getrennt werden sollen.«
»Entschuldigung«, sagte Harvey wieder.
»Es ist nicht dein Fehler«, zwang Kieran sich zu sagen. »Es ist meiner.«
Ohne Kieran in die Augen zu schauen, traten Harvey und die andere Wache – ein Fünfzehnjähriger, der sich selbst Junior nannte – in die Zelle und ergriffen Seth bei den Armen. Als sie ihn über den Gang zogen, stellte sich Kieran in den Türrahmen, um sicherzustellen, dass Max nicht wegrennen konnte. Aber Max war am Ende und gar nicht in der Lage zur Flucht. Er lag auf dem Boden und betrachtete Kieran mit gleichgültigem Blick.
Sealy bewegte sich nicht, und Kieran nahm ihn mit Bedauern in Augenschein. Er hatte gewusst, dass Sealy in Seths Nähe vielleicht in Gefahr war, aber er hatte sie nicht getrennt. Jetzt war Sealy halb tot.
Als die Wachen für Max zurückkamen und ihn in eine andere Zelle zogen, drehte Kieran Sealy auf den Rücken.
Sein Gesicht war violett vor Blutergüssen, sein Handgelenk lag in einem ungesunden Winkel über der Brust, und seine verdrehte Hand sah aus wie die Kralle eines geschlagenen Tieres. Kieran riss Sealys Oberteil auf. Der Körper war blau und gelb von alten und neuen Blutergüssen. Er hätte ihn vor langer Zeit verlegen sollen.
»Sagt auf der Krankenstation Bescheid. Sie sollen eine Trage mit Fixierungen mitbringen und ein bisschen Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel für die anderen beiden.«
Ein paar Minuten später brachten zwei verschlafen aussehende Jungen in Pyjamas Sealy auf einer Trage weg. Die Jungen von der Krankenstation hatten Metallschüsseln mit Desinfektionsmitteln, Wundsalben und Bandagen mitgebracht, die Kieran durch die Gitter schob. Zuerst zu Max, der auf der Pritsche lag und sich die Stirn hielt, und dann zu Seth, der an der Wand lehnte und schwer durch grotesk angeschwollene Lippen atmete.
»Du willst wahrscheinlich ein paar Schmerzmittel«, sagte er zu Seth.
»Gut möglich.« Seth wühlte sich durch die Vorräte, fand eine Tube Wundsalbe und tupfte sie sich auf seine blutigen Lippen. Der kompetenten Art nach zu urteilen, mit der er seine Wunden behandelte, hatte er sich wohl schon oft selbst verarztet – höchstwahrscheinlich nach Schlägen von seinem Vater. Vermutlich war das einer der Gründe für all seinen Zorn.
»Ich schätze, der großartige Pastor Kieran Alden ist letztendlich doch nicht so perfekt«, sagte Seth und bandagierte einen Kratzer auf seinem Arm. »Du hast mir die Scheiße aus dem Leib geprügelt.«
»Ich habe nie behauptet, ich wäre perfekt.«
Darüber lachte Seth. »Das musst du auch nicht.«
Kieran sah beschämt seine blutigen Fäuste an. »Es tut mir leid, dass ich dich angegriffen habe.«
»Du hattest Grund dazu.« Seth schraubte den Deckel eines Tablettenröhrchens ab, warf sich eine Handvoll Schmerztabletten in den Mund und kaute sie geräuschvoll. Er humpelte zum Waschbecken und trank aus dem Hahn.
»Wieso hast du Sealy angegriffen?«
»Rate mal.«
»Er hat etwas getan, das dir nicht gefallen hat.«
»Das könnte man so sagen.« Seth warf ihm einen langen Seitenblick zu. »Er ist der Grund, weswegen ich hier drinsitze.«
»Wie hast du das herausgefunden?«
»Er hat es mir erzählt.« Seth lachte und schüttelte den Kopf. »Was für ein Idiot. Er hat sich schuldig gefühlt.«
Die zwei saßen still da, bis Seth mit der Behandlung seiner Wunden fertig war. Dann hievte er sich mit einem Grunzen auf die Pritsche und legte einen Arm über die Augen.
»Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen«, sagte Kieran.
Seth sah ihn verwirrt an.
»Ich würde eine Menge Dinge anders machen«, gab Kieran zu und fragte sich, warum er mit Seth reden wollte, wo er ihn doch beinahe umgebracht hatte. Aber da Waverly und seine Eltern fort waren, war Seth die Person, der er sich am nächsten fühlte. Arthur war klug, aber zu jung; Sarek war vertrauenswürdig, aber zu unnahbar. Aber es lag nicht nur daran, dass er und Seth ungefähr das gleiche Alter hatten oder in der Lage waren, die Jungen anzuführen. Es war mehr als das.
Er wusste, dass er außergewöhnlich war, und er wusste, dass Seth es auch war. Unter anderen Umständen wären sie vielleicht Freunde geworden.
»Ich denke, ich würde auch einige Dinge anders machen«, sagte Seth schließlich
Weitere Kostenlose Bücher