Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
eingeschlafen und hilflos und in der Dunkelheit allein war? Sie kämpfte darum, die Augen offen zu halten, aber sie schienen mit Sand gefüllt und waren schon bald so voll und schwer, dass sie zufielen. Sie zog sich in einen Winkel tief in ihrem Innern zurück.
Jedes Geräusch und alles Licht verschwanden – bis Waverly sich schließlich geborgen fühlte.
Schlafsaal
A ls Waverly die Augen öffnete, sah sie Magda, die Krankenschwester, die sich mit einer Spritze in der Hand über sie beugte.
»Wie spät ist es?«, fragte Waverly schwerfällig.
»Nun gut«, sagte Magda strahlend. »Willst du zu deinen Freundinnen, oder willst du schlafen?«
»Ich will meine Freundinnen sehen«, antwortete sie. Ihr Mund war so trocken, ihre Lippen wie zusammengeklebt.
Magda legte die Spritze beiseite und setzte sich auf die Bettkante. »Pastorin Mather wird glücklich sein, das zu hören.«
Waverly bedachte den Wasserkrug auf dem Tisch neben ihrem Bett mit einem sehnsuchtsvollen Blick. Magda schien zu verstehen, hievte den Krug hoch, fuhr wegen des Gewichts zusammen und goss Waverly ein Glas Wasser ein. Sie setzte sich auf und trank, goss sich dann selbst nach und trank noch zwei weitere Gläser, ehe sie schließlich in ihr Kissen zurücksank. Das Wasser hatte ihre Lebensgeister geweckt, und sie fühlte sich sogar stark genug, eine Forderung zu stellen. »Ich will die anderen Mädchen sofort sehen.«
»Pastorin Mather wird zuerst mit dir sprechen wollen.« Magda drückte einen Knopf auf dem Tisch neben dem Bett. »Lass uns dich in der Zwischenzeit baden und anziehen.«
Die Frau ließ ein Bad für Waverly ein, gab ihr einen weichen Schwamm und Seife, die nach Jasmin roch, und verließ den Raum. Waverly schleppte sich zur Wanne und ließ sich hineingleiten. Das warme Wasser beruhigte ihre steifen Gelenke. Ihre komplette rechte Seite schmerzte immer noch, aber es begann, sich wie ein Heilungsschmerz anzufühlen. Weil ihre verbrannte Hand nicht mit dem Wasser in Berührung kommen durfte, brauchte sie länger als sonst, um sich zu waschen. Sie verlor sich in dem Geruch der Seife und gab sich dem tröstlichen Tagtraum hin, zu Hause zu sein. Jeden Moment würde ihre Mutter an die Tür klopfen, um sie zur Eile anzutreiben. Am liebsten hätte sie sich für immer in diesem Badezimmer versteckt, aber sie konnte spüren, dass jemand auf der anderen Seite der Tür auf sie wartete. Also stieg sie aus der Wanne, trocknete sich mit einem Baumwollhandtuch ab und schlüpfte dann in das pinkfarbene Kleid, das an einem Haken in der Ecke hing. Es war das Kleid eines kleinen Mädchens – ganz anders als die Hanfhosen, die sie normalerweise trug. Es war bequem, sogar hübsch, fühlte sich aber an wie eine Verkleidung. Es musste von einem Mädchen an Bord der
New Horizon
geliehen sein, dachte sie, doch bei genauerer Betrachtung wirkte das Kleid wie frisch genäht. Sie kämmte sich das schwere nasse Haar aus der Stirn, holte ein paarmal tief Luft und öffnete die Badezimmertür.
Anne Mather wartete bereits auf sie. Sie saß auf dem Stuhl neben dem Krankenbett, schrieb auf einem Notiz-Pad und lächelte, als Waverly eintrat.
»Du siehst viel besser aus. Wie fühlst du dich?«
Waverly bewegte ihre Hand. Die Ränder der Verbrennung zogen und stachen ein wenig, aber der Schmerz war erträglich. »Mir geht es gut.«
»Ich bin so froh. Ich wollte mich mit dir unterhalten, bevor du dich wieder den Mädchen anschließt.« Die Pastorin klopfte auf das Bett neben sich, und Waverly folgte der Aufforderung, setzte sich aber an das Fußende des Betts und somit viel weiter entfernt, als die Frau ihr angezeigt hatte.
»Komm näher, Liebes. Ich beiße nicht.«
Waverly bewegte sich nicht und hielt dem Blick der Frau stand, der sie über den Rand der Brille hinweg traf.
Pastorin Mathers Brauen hoben sich, aber ihre Stimme blieb weich und trällernd. »Liebes, ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten. Unsere Sensoren waren nicht in der Lage, irgendwelche Überlebenden der
Empyrean
zu lokalisieren.«
Waverly implodierte. Ein grauer Film schob sich über ihre Augen. Nein, wiederholte sie stumm, diese Frau war eine Lügnerin, und Waverly würde nichts akzeptieren, was sie sagte. Kieran und ihre Mutter waren noch am Leben.
Pastorin Mather betrachtete ihr ausdrucksloses Gesicht, dann schien sie sich eine Meinung gebildet zu haben und sagte: »Du musst sehr geschockt sein.«
»Das muss ich wohl«, sagte Waverly mit gehauchter Stimme.
»Liebes, ich weiß, das
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