Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
einholen.«
Waverly ließ ihr Brot sinken. »Das wäre in Ordnung für mich.«
Amanda erhob sich und sammelte die leeren Teller ein. »Wer hat Lust auf Haferflockenkekse?«
»Nach hervorragendem Hausrezept«, fügte Josiah strahlend hinzu. »Hast du schon mal Eis gegessen?«
»Wir haben keine Kühe auf der
Empyrean
«, sagte Waverly und ließ das Kinn sinken. Jede Erwähnung ihrer Heimat weckte schmerzende Trauer in ihr, und sie musste die Tränen hinunterschlucken.
Die
Empyrean
ist noch immer da,
sagte sie sich.
Sie sind immer noch da draußen.
Betretenes Schweigen senkte sich über sie, bis Josiah sich schließlich räusperte und stockend sagte: »Man hat nicht gelebt, bevor man ein Eis probiert hat.«
Waverly schaffte es irgendwie, ihn anzulächeln. Sie versuchte ihre Haferflockenkekse zu genießen, doch von dem Eis wurde ihr schlecht, und sie konnte nicht aufessen.
Sie half Josiah und Amanda beim Abwasch, und dann gingen sie zurück in den Schlafsaal. Waverly hielt Amanda zum Abschied die Hand hin, die diese mit beiden Händen umfasste, während sie herablächelte. So groß Waverly war, Amanda war viel größer. »Denk daran – du wirst Modell für mich stehen. Ich kläre das mit der Pastorin.«
»Hört sich gut an«, sagte Waverly und ließ sogar zu, dass die Frau sie kurz umarmte. Sie roch nach Ölfarbe und frisch geschnittenen Tomaten.
Sobald sie ins Bett gekrochen und das Licht gelöscht war, wandten sich ihre Gedanken Kieran zu. Er würde niemals glauben, dass Captain Jones die
New Horizon
sabotiert hatte. Er würde argumentieren, dass der Captain, wenn überhaupt, nur aus einem Grund Hilfe verweigert hätte: Hätte er die Beschleunigung erhöht, wäre dabei auch der Wert der künstlichen Schwerkraft angestiegen. Wie sich das auf Crew und Organismen an Bord auswirken könnte, war unberechenbar. Der Captain hätte nur seine Crew beschützen wollen.
Aber der Captain hatte seine Crew nicht beschützt, oder?
Seth hatte gesagt, dass die Freunde des Captains ein mysteriöses Leben führten. Jetzt wünschte sich Waverly, sie hätte Seth genauer danach gefragt oder sie könnte noch mal mit ihm darüber reden. Seth war nicht so gutgläubig wie Kieran und eher bereit, auch die Schattenseite der Dinge zu betrachten. Er ließ nicht zu, dass Loyalität seinen Sinn für die Wahrheit vernebelte.
War sie Kieran gegenüber illoyal, weil sie derartige Gedanken hegte? Sie liebte sein einfaches Vertrauen und wie er an seine Freunde glaubte. Sie wusste, dass er auf diese Weise das Beste in einem Menschen zutage förderte. Seth würde anderen gegenüber immer misstrauisch sein, und seine rauhen Kanten waren ein unauflösbarer Teil von ihm.
Nein, Kieran war besser.
Waverly schlang die Arme um ihren Körper und streichelte ihren Rücken, stellte sich vor, es wären Kierans Arme, Kierans Hände. Sie stellte sich vor, wie er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Er würde vielleicht sogar einen Weg finden, sie zum Lachen zu bringen, selbst jetzt. Er schaffte das immer – sie aufzuheitern, selbst wenn sie am Boden zerstört war.
»Was würdest du jetzt zu mir sagen?«, flüsterte sie in die lautlose Dunkelheit und lauschte in ihrem Geist auf eine Antwort. Es kam keine.
Sie drehte ihr Gesicht in das Kissen, und während sie weinte, biss sie in den Kopfkissenüberzug, bis es zwischen den Zähnen knirschte.
Gottesdienst
A m nächsten Morgen schaltete die Matrone das Licht an und klatschte in die Hände. »Aufstehen, Mädchen. Euch erwartet eine Überraschung!«
Waverly setzte sich verwirrt in ihrem Feldbett auf. Samantha und sie sahen einander an, und als Samantha tat, als würde sie die Hände in fröhlicher Erwartung zusammenklatschen, entlockte sie Waverly ein Lächeln. Warum war sie nur vorher nicht mit Samantha befreundet gewesen? Sie hatten mehr gemein, als sie je gedacht hatte.
Frauen brachten einfache schwarze Kleider und Kniestrümpfe, und überreichten sie jedem Mädchen mit dem Hinweis, sich schnell anzuziehen. Dann gaben sie ihnen weiße Spitzenkopftücher und wiesen sie an, sich diese um den Kopf zu binden, um ihr Haar zu bedecken. Die Mädchen sahen aus wie auf Bildern von russischen Bauern, die Waverly in einem Geschichtenbuch von Tschechow gesehen hatte.
Wäre heute ein normaler Sonntag gewesen, hätten Waverly und ihre Mutter Waffeln oder Pfannkuchen gemacht, herumgelegen und Bücher von der Erde gelesen. Regina mochte Krimis, die sie an ihre Heimatwelt erinnerten. Waverly mochte
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