Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
schließlich »Amen« sagten. Dann biss sie in ihr Brot. »Das ist wirklich gut«, sagte sie mit vollem Mund und schämte sich sofort für ihre schlechten Manieren. Sie hatte das Gefühl, ein normales Essen mit normalen Menschen einzunehmen, und musste sich einmal mehr bewusst machen, dass sie eine Gefangene war.
»Und wie haben dir die Gärten heute gefallen?«, fragte Josiah, während er kleine Brotstücke in seinen Eintopf fallen ließ.
»Sie sind wunderschön«, antwortete sie und meinte es auch so. Die Gärten auf der
New Horizon
waren viel besser gepflegt als die auf der
Empyrean.
Die Reihen der hydroponischen Pflanzungen waren gerader, der Mais grüner, die Beeren größer und saftiger. Vermutlich hatte die Crew sich mangels Kindern mit besonderer Liebe der Aufzucht der Pflanzen gewidmet. »Wir haben in den Banyanbäumen gespielt.«
»Als ich klein war, waren das auch meine Lieblingsbäume.« Amanda lachte. »Kannst du dir Josiah und mich als Kinder vorstellen? Ich war vier, und er war sechs, als wir auf die
New Horizon
gebracht wurden.«
»Also erinnert ihr euch an die Erde?« Ein Hauch von Sehnsucht lag in Waverlys Stimme. Sie mochte die Geschichten von der Alten Erde und ihrem blauen Himmel. »Erinnerst du dich an Regen? Wie er aus der Luft fiel?«
»Er war wunderschön anzusehen«, sagte Amanda, »aber voller Chemikalien.«
»Wieso? Welche Chemikalien?« Waverly war jetzt ganz Ohr. Nur wenige Erwachsene auf der
Empyrean
waren je bereit gewesen, über ihren Heimatplaneten zu sprechen. Sie hatten immer das Thema gewechselt, wenn sie zu viele Fragen gestellt hatte, und niemand hatte ihr jemals ein klares Bild davon vermittelt, warum ihr Heimatplanet ein so unwirtlicher Ort geworden war. Waverly hatte sich immer gefragt, wieso diese Dinge ein Geheimnis waren. Ihre Mutter hatte ihr stets gesagt, es sei zu schmerzhaft für die Leute, darüber zu reden, aber diese Erklärung hatte sich nie ganz richtig angefühlt. Sie war sich stets sicher gewesen, dass die Erwachsenen ihr etwas verschwiegen. »Und wie sind die Chemikalien in den Regen gekommen?«
Amanda schüttelte den Kopf. »Das habe ich nie verstanden. Josiah? Kannst du es erklären?«
»Ich bin kein Ökologe«, sagte er und ließ ein Stück Brot mit der Rückseite des Löffels im Teller untertauchen. »Die Fabriken gerieten außer Kontrolle oder –«
»Pastorin Mather sagt, die Erde sei kollabiert, weil die Leute nicht auf die Zeichen geachtet haben, die Gott ihnen sandte. Sie waren gierig und faul, und deswegen …«
»… wurden sie bestraft«, schloss Josiah.
»Aber wofür?«, fragte Waverly. »Was genau haben sie getan?«
Amanda lachte beschämt. »Wir waren so jung. Das hier ist nun unsere Heimat.«
»Vermisst ihr es? Auf einem Planeten zu leben?«
Josiah nickte. »Jeden einzelnen Tag. Auch wenn es auf der Erde nicht immer schön war.«
»Ich erinnere mich, dass ich die meiste Zeit Hunger hatte«, sagte Amanda und biss in ein großes Stück Brokkoli. »Meine Knochen hatten sich als Kind nicht richtig entwickelt. Ich musste Schienen tragen.«
»Und überall war Gewalt«, ergänzte Josiah. »Hier sind wir viel besser dran.«
»Besonders jetzt, da ihr Mädchen hergekommen seid.« Amanda lächelte ihren Ehemann an, und er bedeckte kurz ihre Hand mit der seinen. Sie tauschten etwas Intimes aus, das spürte Waverly, also senkte sie den Blick, nahm einen kleinen Bissen und ließ den Löffel in ihrem Mund.
»Und? Wie ist sie?«, fragte Amanda mit einem Blick auf die Suppe.
»Wirklich gut«, wiederholte Waverly.
Sie aßen schweigend, das einzige Geräusch war das Klicken und Schaben ihrer Löffel in den Steingutschalen. Waverly nahm noch ein Stück Brot, obwohl sie nicht mehr hungrig war. Sie suchte etwas, womit sie ihre Hände beschäftigen konnte, eine Entschuldigung, um nicht reden zu müssen.
»Waverly, ich frage mich, ob ich dich malen darf.«
Sie hörte überrascht auf zu kauen. »Mich?«
»Ich würde sehr gern mit einem lebenden Modell arbeiten. Und du bist so hübsch, meine Liebe.«
»Du hast Felicity Wiggam noch nicht gesehen«, sagte Waverly. »Sie ist absolut wunderschön.«
»Ich mag dein Gesicht. Ich würde es gern malen«, beharrte Amanda. »Nur ein einfaches Porträt.«
Josiah lachte leise. »Amanda malt keine Akte … falls du dir deswegen Sorgen machst.«
»Und wir hätten einen Vorwand für mehr Besuche«, fügte Amanda hinzu. »Falls dir das recht ist. Ich könnte die Erlaubnis von Pastorin Mather
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