Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als sie mit der Fingerspitze über die Leinwand strich. Waverly beobachtete sie neugierig. Nur wenige Erwachsene hatten ihr je so ehrlich von der Korruption vor der Mission erzählt. Es war erfrischend, jemanden zu treffen, der offen darüber sprach.
Sie könnte mir vielleicht erzählen, was wirklich auf der Erde passiert ist,
dachte Waverly.
»Ich wollte dich etwas fragen«, sagte Amanda da vorsichtig.
»Was?«
»Nun, wir versuchen eure Lebensumstände ein wenig zu verbessern. Wir wollen euch in Familien unterbringen. Natürlich nur, bis wir eure Eltern finden.«
»Natürlich«, sagte Waverly und fragte sich grimmig, ob Amanda von den Gefangenen im Frachtraum wusste. Wenn sie es wusste, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie sah einfach nur glücklich aus, Waverly bei sich zu Hause zu haben. Sie hatte frisches Brot für den Anlass gebacken, und mehr von den Haferflockenkeksen lagen in einer Schüssel in Waverlys Reichweite. Nach dem faden Essen, das sie in den letzten paar Tagen bekommen hatte, rochen die Kekse vorzüglich, aber sie widerstand der Verlockung. Sie hatte erfahren, wie verwirrend es war, Freundlichkeit von ihren Entführern zu akzeptieren.
»Ich frage mich, ob du vielleicht … Josiah und ich würden uns freuen …« Die Frau lächelte verlegen. »Wir wollen, dass du bei uns bleibst.«
Waverly sah sie vorsichtig an. »Wieso?«
»Wir mögen dich«, sagte Amanda mit einem Schulterzucken. »Und wir dachten, dass du uns vielleicht auch magst. Wir haben sogar …« Ihr Blick fiel auf den Tisch, der voller Holzspäne und kleiner Farbtöpfe war. Eine halbfertige Gitarre lag oben auf dem Durcheinander. »Nun, wir haben dir ein Zimmer fertiggemacht. Willst du es sehen?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm sie Waverly bei der Hand und führte sie durch einen kurzen Flur in einen sehr kleinen Raum, der mit Bett, einem Schreibtisch und einer Lampe ausgestattet war. Über dem Bett hing das Foto eines Pferdes, das neugierig in die Kamera blickte. Der Raum war kaum groß genug, dass zwei Leute darin stehen konnten. Es sah aus wie eine verbrämte Gefängniszelle.
»Es ist nicht viel«, sagte Amanda, »aber es wäre dein eigenes Reich. Du hättest ein bisschen Privatsphäre. Und dein eigenes Bullauge.«
Waverly ging zu dem ovalen Bullauge und blickte in den milchigen Nebel. Sterne sah sie keine, nur das schlammige Gas wirbelte draußen vor dem Fenster vorbei. Wie lange würde es noch dauern, bis sie diese schreckliche Wolke endlich hinter sich ließen?
Amanda unterbrach sie in ihren Gedanken. »Nun? Was hältst du davon?«, fragte sie eifrig.
Waverly drehte sich um, um die Frau anzuschauen, deren große Gestalt den Türrahmen auszufüllen schien. »Ich denke, hier könnte ich bleiben«, sagte sie schließlich. Wenn sie keine andere Wahl hatte, als aus dem Schlafsaal auszuziehen, dann konnte sie genauso gut bei Leuten bleiben, die ihr harmlos vorkamen.
»Oh, das ist wunderbar.« Amandas strahlendes Lächeln ließ ihre grünen Augen leuchten. »Ich frage die Pastorin, ob sie ihre Zustimmung gibt.«
»Okay«, sagte Waverly.
»Und bitte nimm einen Keks! Ich habe sie extra gebacken.«
Waverly nahm aus Höflichkeit einen Keks, aß ihn aber nicht. Es erschien ihr, als wäre das gleichbedeutend damit, aufzugeben. »Ich hebe ihn mir für später auf«, murmelte sie.
Amanda sah darüber so enttäuscht aus, dass Waverly beinahe gekichert hätte.
Probier aus, wie weit du sie bringen kannst,
flüsterte eine leise, kalte Stimme in ihrem Innern.
»Weißt du«, wagte Waverly zu sagen, »ich hab mich ziemlich eingepfercht gefühlt in den letzten Tagen. Vielleicht könnten wir einen Spaziergang machen?«
»Natürlich! Wieso hast du das nicht gleich gesagt?« Amanda schlüpfte in ein Paar flache Schuhe und nahm sich einen Pullover. »Lass uns ein bisschen auf Erkundungsreise gehen, hast du Lust?«
Waverly band sich einen dünnen Schal um – den gleichen blassbraunen Schal, den jedes Mädchen bekommen hatte – und folgte Amanda nach draußen. Die beiden Männer vor der Tür setzten sich gleichfalls in Bewegung, aber Amanda sagte: »Oh, wir brauchen euch ganz sicher nicht. Was, meint ihr, sollte uns passieren?«
»Wir haben Anweisung, die Mädchen bei ihrer Integration zu unterstützen«, schnarrte der kleinere der beiden. Er hatte Haifischaugen, und als er Waverly ansah, fühlte sie sich unter seinem Blick wie Beute.
»Ich behalte sie im Auge. Ihr braucht wirklich
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