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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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hören und hatte schreckliche Angst, dass er auf sie schießen könnte, aber sie rannte trotzdem weiter. Die vor Freundlichkeit triefende Maske, hinter der sich die Besatzung der
New Horizon
seit der Ankunft der Mädchen verbarg, war endgültig gefallen. Es gab keinen Zweifel mehr: Stehen bleiben war unmöglich. Stehen bleiben war das Ende. Stehen bleiben war der Tod.
    Als sie fühlte, wie eine Hand sich schwach um ihren Ellbogen legte, kniff sie hinein, bis der Griff des Mannes sich lockerte, und lief um die nächste Ecke.
    Also schoss er auf sie.
    Ihr Bein explodierte in schreiendem Schmerz. Mit einem wütenden Fauchen fiel sie zu Boden und versuchte gleich darauf aufzustehen, aber ihr Bein trug sie nicht mehr. Plötzlich war ihr kalt, obwohl sie in Schweiß gebadet war.
    »Mama!«, schrie sie. »Mama! Mama! Mama!« Immer wieder, während die Männer sie umringten.
    »Waverly?« Das dünne Flüstern einer Frau in der abgestandenen Luft. »Waverly, wo bist du?«
    »Mama? Hilf mir!«, schrie Waverly überglücklich. Mama holte sie. Nur noch eine Sekunde, dann war sie in Sicherheit.
    Sie drehte den Kopf, um in die Richtung zu schauen, aus der ihre Mutter kam, und eine Gestalt erschien. Eine große Gestalt, rennend, humpelnd, aber sie kam, um sie zu holen. Die Frau kam näher, bis Waverly ihr Gesicht sehen konnte.
    Amanda.
    »Nein! Ich brauche meine Mama!«, schrie Waverly, schluchzte und schlug sich selbst auf Augen und Ohren, bis sie Hände fühlte, die sie nach unten pressten, so viele Hände. Sie war stärker als jeder Einzelne von ihnen, sogar verletzt wie jetzt, aber es waren so viele, dass sie sich nicht bewegen konnte. Für den Verstand war kein Raum mehr. Sie war nur noch erfüllt von dem Schmerz in ihrem Bein und dem Kollabieren ihres Geistes. Es war vorbei. Sie konnte ihrer Mutter nicht helfen. Sie hatten sie, und es gab keine Hoffnung mehr.
    Hände, diesmal sanfte, umfassten ihr Gesicht, und sie wusste, ohne die Augen zu öffnen, wer es war. »Waverly. Was machst du hier unten?«
    Sie brauchte jetzt eine Lüge, aber Amandas Gesicht wurde unscharf, und als sie die Besinnung verlor, konnte sie hören, wie die Frau die Wachen anschrie: »Sie ist nur ein Kind! Lasst sie in Ruhe! Sie ist nur ein Kind!«

Schlimmere Schicksale
    D as Geräusch von klapperndem Glas weckte sie. Eine helle Lampe hing über ihr, blendete sie, und Ethanolgeruch stach ihr in die Nase. Ein Mann mit einem Mundschutz stand neben ihrem Bett und steckte eine Küvette in eine Reihe von Teströhrchen. Lachfältchen zeigten sich um seine Augen, als er sah, dass Waverly ihn beobachtete.
    »Es ist wunderbar«, sagte er zu ihr. »Du hast hervorragend auf die Therapie reagiert.«
    »Welche Therapie?«, fragte sie lallend und mit schwerer Zunge.
    »Warte, ich hole dir eine Schwester.« Er tätschelte ihren Arm, ging hinaus und nahm das Tablett mit sich.
    Die Tür fiel zu, und Waverly erinnerte sich. Ihre Mutter. Sie hatte mit ihrer Mutter gesprochen, ihre Hand gehalten. Ihre Mutter lebte, und sie musste zu ihr. Sie warf die Laken ab und versuchte sich aufzusetzen, aber ihr war schummrig und sie musste sich am Bettgeländer festhalten. Sie versuchte sich zu bewegen, aber in ihrem Bein wütete der Schmerz.
    Ich bin angeschossen worden!,
zuckte es ihr durch den Kopf.
Sie haben tatsächlich auf mich geschossen!
Sie konnte es kaum glauben. Nein, sie konnte nicht aufstehen. Sie würde eine ganze Weile lang nirgendwohin gehen können.
    Waverly ließ sich in die Kissen zurücksinken und schaute sich um. Sie war nicht auf der Krankenstation. Die Lichter waren zu hell, und es gab kein Bullauge, das nach außen blickte. Sie musste sich tief im Innern des Schiffs befinden, auf einem der oberen Decks. Zu ihrer Rechten stand eine Reihe weißer Schränke, zu ihrer Linken befand sich eine Arbeitsfläche mit Messbechern. Eine Zentrifuge, wie sie sie im Biologieunterricht benutzt hatte, stand an einem Ende.
    Sie war in einem Labor.
    Sie hörte Schritte, und eine andere Person mit Mundschutz erschien über ihr. Die haselnussbraunen Augen kamen ihr bekannt vor, und als die Frau »hallo« sagte, erkannte Waverly die Stimme. Es war Magda, die Krankenschwester, die sich um sie gekümmert hatte, als sie auf die
New Horizon
gekommen war.
    »Wieso bin ich in einem Labor?«, fragte Waverly.
    »Durst?« Magda schob ihr einen Strohhalm zwischen die Lippen. Waverly schluckte eiskaltes Wasser und fühlte einen dumpfen Schmerz in ihrer Kehle, als ob ihr etwas die Luftröhre

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