Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
seiner Seite. Irgendetwas an diesem Foto beunruhigte sie. Ein Teil von ihr wollte nicht darüber nachdenken. Sie wollte dieses Album fertigstellen, sich selbst in dieser Aufgabe verlieren, sich besser fühlen. Aber sie war noch nie gut darin gewesen, ihre Gedanken auszuschalten, und schließlich verselbständigten sie sich, als Waverly erkannte, was an dem Bild sie gestört hatte: Ihre Mutter hatte den Captain niemals Eddie genannt. Sie hatte von ihm immer als dem Captain gesprochen, vielleicht auch als Captain Jones. Und sie hatte seinen Namen stets mit einer gewissen kühlen Reserviertheit ausgesprochen. Aber hier, auf der Rückseite des Bildes, hatte ihre Mutter ihn als Eddie ausgewiesen. Ganz so, als wäre er ein guter Freund. Noch sonderbarer war, dass ihre Mutter stets gesagt hatte, sie und ihr Mann wären nie Teil des engsten Kreises rund um den Captain gewesen. Stets wären sie Außenseiter gewesen, die froh waren, nichts mit den Entscheidungsfindungen zu tun zu haben. Aber das Bild förderte eine unleugbare Vertrautheit zwischen dem Captain und ihrem Vater zutage. Das Verstörendste aber war, dass Waverly nicht gewusst hatte, dass ihr Vater etwas mit der Entdeckung des Phyto-Luteins zu tun gehabt hatte – jenem Mittel, das die weiblichen Eierstöcke stimulierte und verantwortlich für das Entstehen der nächsten Generation auf der Empyrean gewesen war. Ihr Vater war Botaniker gewesen, kein Fachmann für Fruchtbarkeit.
Andererseits hatte Phyto-Lutein natürlich eine pflanzliche Basis. Wo sonst lag der Ursprung aller Arzneimittel? Und falls ihr Vater Teil jenes Teams gewesen war, das die wundersamen Bestandteile entdeckt hatte – warum hätte Regina darüber Stillschweigen bewahren sollen? Das ergab doch keinen Sinn.
Nachdenklich blieb Waverlys Blick am alten Computer ihrer Mutter hängen. Stoffbahnen des angrenzenden Nähtischs bedeckten das Gerät nahezu vollständig. Sie schob den Stoff beiseite und schaltete den Rechner an. Der Geruch verbrannten Staubs füllte den Raum, und Waverly wurde bewusst, dass das Gerät mindestens seit dem Angriff der New Horizon nicht mehr benutzt worden war.
Sie durchsuchte die Logbuch-Einträge und arbeitete sich in der Zeit immer weiter rückwärts, durch all die flüchtig geschriebenen Aufzeichnungen, die an jenem Tag vor nahezu dreiundvierzig Jahren ihren Anfang nahmen, als die Mission der Empyrean begonnen hatte. Sie scrollte zu dem Datum des Luftschleusenunfalls, der ihren Vater das Leben gekostet hatte, und las den Eintrag:
Luftschleuse 252 versagte während routinemäßiger Wartungsarbeiten bei der Reparatur einer Teilbeschädigung an Radioantenne 252. Dr. Galen Marshall, Dr. Melissa Ardvale und Dr. James McAvoy wurden infolge einer durch eine Explosion verursachten Dekompression aus der Schleuse und hinaus in den Weltraum gezogen.
Das war alles?
Es war der schlimmste Unfall mit den schwerwiegendsten Folgen gewesen, der sich je auf der Empyrean ereignet hatte. Es hätte mehr darüber geschrieben werden müssen.
Ihre Finger flogen über die Tastatur, begierig danach, eine Suche nach jedweder Information zu starten, die sie über den Unfall finden konnte, aber da das exakt die Art von Dingen war, über die sie absolut nicht nachdenken wollte, schob sie das verstörende Foto stattdessen energisch unter einen Stapel am Boden der Kiste. Den Rest der Nacht verbrachte sie damit, weiter durch die alten Bilder zu blättern, sie zu sortieren und sie zu Stapeln aufzutürmen, bis ihre Augenlider schließlich zu schwer wurden, um weitermachen zu können.
Es schien ihr, als wäre nur ein Augenblick vergangen, als sie die Augen wieder aufschlug. Sie lag auf der Couch, umgeben von Fotos. Ihre Gliedmaßen fühlten sich schlaff und schwach an, und um ihren Kopf lag eine bleierne Müdigkeit. Ihr Magen rumorte, so leer war er, und sie stand auf und streckte sich.
Als ihr Blick auf die Stapel fiel, die sie errichtet hatte, erstarrte sie, dann stopfte sie sie eilig und ohne eine bestimmte Reihenfolge in die Kiste zurück. Bei all dem, was derzeit um sie herum geschah, war das Graben in einem längst vergangenen Damals das Letzte, was sie brauchte. Was sie wirklich brauchte, war ein gutes Frühstück. Sie hatte in den Kornfeldern einen Traktor zu reparieren, eine kaputte Getriebewelle vielleicht, und dann musste sie bei drei Maschinen einen Ölwechsel durchführen, und zwar an drei unterschiedlichen Stellen des Schiffs. Ein ganzer Berg Arbeit erwartete sie, und sie war
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