Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
wieder an dem Punkt angekommen, ja? Mehr denn je bin ich der Meinung, dass wir Moral als relativ ansehen sollten.« Captain Jones lehnte sich zum Bildschirm, und sein Gesicht wurde unscharf. Kieran sah dennoch seine großen Poren und die Schweißtropfen auf der Stirn. »Es wäre richtig, dir zu helfen, Anne, aber es wäre noch richtiger, unsere Kinder zu beschützen, um sicherzustellen, dass sie New Earth erreichen.«
»Du überlässt uns dem sicheren Untergang wegen des minimalen Risikos, dass die Beschleunigung den Kindern schaden könnte.«
»Wenn du es so sehen willst …«
»All unsere Hoffnungen sind zerstört«, sagte sie, und ihre körperlose Stimme zitterte verzweifelt. »Unsere Zukunft. Bist du bereit, das Gewicht dieser Schuld auf deine Schultern zu laden?«
»Zum Wohle zukünftiger Generationen.«
»Du wirst als der erste Kriegsverbrecher von New Earth in die Geschichte eingehen.«
Einen winzigen Moment lang war Besorgnis im Gesicht des Captains abzulesen, aber dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Anne. Niemand auf New Earth wird sich je daran erinnern, was hier passiert ist.«
Der Bildschirm flackerte und enthüllte dann das Gesicht der heutigen Anne Mather. Ihr graues Haar war oben auf dem Kopf zu einem adretten Dutt gebunden, und eine Brille saß auf der Spitze ihrer wohlgeformten Nase. »Ich bin der festen Überzeugung, dass Captain Jones von der Sabotage nicht nur gewusst, sondern ihr auch zugestimmt hat. Aber, Mister Alden, selbst wenn er es nicht gewusst hat – glaubst du nicht, dass er und der Rest der Crew der Empyrean, als sie es dann erfahren haben, alles in ihrer Macht Stehende hätten tun sollen, um die Situation zu retten? Wäre das nicht die menschlichste Reaktion gewesen?«
Kieran rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er hatte Manipulation erwartet, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so effektiv sein würde.
»Da euer Captain uns die Hilfe versagte und wir nicht nur mit unserer eigenen Auslöschung, sondern auch mit der Möglichkeit konfrontiert waren, dass die Mission, New Earth zu besiedeln, fehlschlagen könnte, hatten wir keine andere Wahl, als in euer Schiff einzudringen und uns das genetische Material zu holen, das unsere Fruchtbarkeit vielleicht wiederherstellen könnte.« Anne Mather lächelte, das Gesicht von bizarrer Freude entstellt. »Jetzt haben wir fast hundert Babys an Bord unseres Schiffs, und über hundert weitere Crewmitglieder sind schwanger. Die Mission ist jetzt gesichert, Mister Alden. Aber die Zukunft ist ungewiss. Ich appelliere an dich, deiner Crew die Wahrheit mitzuteilen. Bekanntzumachen, was vorgefallen ist. Und auch wenn wir noch immer von euch geschmäht werden, werdet ihr zumindest verstehen, warum wir so und nicht anders handeln mussten. Ich bin der festen Überzeugung, dass zukünftige Generationen beider Schiffe in der Lage sein werden, die Fehler ihrer Vorfahren zu vergeben und Seite an Seite in Frieden auf New Earth zu leben.«
Kieran lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Augen vor Verblüffung weit aufgerissen.
Captain Jones hatte all die Jahre über gelogen?
Er verstand, warum Jones es abgelehnt hatte, der New Horizon zu helfen, aber er konnte nicht verstehen, warum er gelogen hatte. Der Captain hatte der Empyrean -Crew die Wahrheit sechzehn Jahre lang vorenthalten. Er hatte einen erbitterten Feind erschaffen und die Crew nie wissen lassen, dass sie Gefahr liefen, angegriffen zu werden. Kieran hatte diesen Mann verehrt und bewundert, seit er denken konnte. Aber nun wusste er nicht mehr, was er glauben sollte.
Nichts konnte den Angriff der New Horizon und den sinnlosen Verlust von Leben rechtfertigen. Aber wenn das, was Mather behauptet hatte, wahr war …
Er drückte den Knopf seiner Kom-Konsole und rief die New Horizon. Dieses Mal antwortete Anne Mather direkt.
»Ich gehe davon aus, dass du das Video gesehen hast«, sagte sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Ja.«
»Und?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Ein Eingeständnis.«
»Wovon? So wie ich das sehe, hat Captain Jones nichts Falsches getan. Er hat nur seine Crew beschützt.«
»So wie du? Du hast beschleunigt, obwohl er das abgelehnt hat. Hast du daran schon mal gedacht?«
Kieran war wie vom Donner gerührt. Was war mit den kleinen Kindern? Hatte er ihnen geschadet? Er erkannte, dass es an der Zeit war, die Beschleunigung wieder zu drosseln. Es hatte ohnehin nicht funktioniert.
»Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben«, sagte er zu Mather. »Schicken
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