Sternenfeuer
Reaktionsmasse aus, die eingesetzt werden musste, um der Anziehung der Atmosphäre entgegenzuwirken.
Wie alle anderen legte auch Lisabeth Arden am Sichtfenster der nicht rotierenden Stationsnabe eine Pause ein, als sie die Station durch die Transferröhre verließ. Arden war eine niedliche Blondine mit einem dunklen Teint und grünen Augen. Hinter dem Panzerglas wanderte die Erde schnell unter ihnen vorbei - ein riesiger blauer Kreis, der zu groß war, um auf einen Blick erfasst zu werden. Die Station überflog gerade die Ostküste Ecuadors. Der südliche Atlantik erstreckte sich bis zur Krümmung des Planeten; die Elfenbeinküste würde in fünfzehn Minuten hinter dem gewölbten Horizont auftauchen. Die üblichen Wolkenbänder wurden von einer mächtigen spiralförmigen Formation beherrscht, die die Keimzelle eines tropischen Sturms war. Direkt unter ihnen markierten die schmalen weißen Kondensstreifen von Flugzeugen die Luftverkehrs-Route zwischen Lima und Kinshasa.
Lisa war Professorin der Linguistik an der Multiversität von London. Sic war an diesem Morgen eine halbe Stunde zu spät im Büro erschienen, denn sie hatte erst in den frühen Morgenstunden in den Schlaf gefunden. Das Erste, was sie nach dem Einschalten des Computers sah, war die Aufforderung, im Büro des Kanzlers vorstellig zu werden. Der gemurmelte Fluch, mit dem sie die Vorladung quittierte, entstammte dem traditionellen angelsächsischen Flüche-Repertoire ...
Während sie durchs Foyer zum Aufzug eilte, ging sie in Gedanken alle möglichen Übertretungen durch, mit denen sie sich eine Vorladung im Büro des Kanzlers eingehandelt haben könnten. Da war die Spesenabrechnung, die sie für das Seminar in Mombasa eingereicht hatte. Oder vielleicht hatte sie auch ihr zugeteiltes Zeitkontingent für das Bibliotheksnetz der Universität überzogen. Aber nichts von alledem war so gravierend, um zu Kanzler Seaton zitiert zu werden.
»Kommen Sie herein, Lisa«, sagte Seaton, als sie sein Büro betrat. »Nehmen Sie Platz.«
»Danke, Sir.«
Als sich gesetzt hatte, stellte sie überrascht fest, dass Seaton einen nervösen Eindruck machte. Wenn dieser Eindruck nicht trog, dann war dies das erste Mal, dass sie ihn so sah. Sie er schrak geradezu. »Bevor wir dieses Gespräch fortsetzen, Lisa, müssen Sie mir zusichern, dass das, was ich Ihnen gleich sagen werde, diesen Raum nicht verlässt.«
»Sie haben mein Wort.«
»Die Sternenforschung hat mich gebeten, einen Linguisten für ein Projekt zu empfehlen, das sie im Orbit laufen haben. Wären Sie interessiert?«
»Ich? In der Erdumlaufbahn? Worum geht es denn überhaupt?«
»Man hat mir keine Einzelheiten genannt. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Welt-Koordinatorin die Anfrage genehmigt hat. Worum auch immer es geht, Sie können sicher sein, dass es sich in Ihrem Lebenslauf gut machen wird, wenn Sie den Job erledigt haben. Die Universität wird auch in einem guten Licht erscheinen.«
»Wieso gerade ich?«, fragte sie.
»Weil die Toleranz für Mikrogravitation mit dem Alter abnimmt und Sie die jüngste Person in der Fachschaft sind. Außerdem sind Sie einer der besten Linguisten, die ich kenne. Und wenn Sie noch einen dritten Grund brauchen: Sie sagten, dass sie jemanden bevorzugten, der unverheiratet sei.«
»Wozu sie wohl einen Linguisten brauchen?«, fragte Lisa sich laut. »Wie lange werde ich fort sein?«, fragte sie, als sie den Nachtrag bezüglich ihres Familienstands verinnerlicht hatte.
»Die Koordinatorin sagte nur, Sie müssten damit rechnen, für ein paar Monate weg zu sein.«
»Wer wird meine Vorlesungen übernehmen?«
»Ardmore kann die meisten übernehmen, und wir werden Shipingdale als Aushilfe hinzuziehen. Keine Sorge, wir kommen schon zurecht.«
»Und Sie können mir nicht sagen, worum es geht?«
»Ich weiß nur, dass es eine ziemlich dringende Angelegenheit ist.«
»So läuft das nicht, Kanzler! Sie glauben wirklich, ich würde eine Entscheidung treffen, ohne dass man mir irgendetwas über das Projekt erzählt? Und ich dachte, solche Dinge kommen nur in historischen Holofilmen vor.«
»Mir ist so etwas auch noch nicht untergekommen«, pflichtete Seaton ihr bei. »Das in Verbindung mit dem Interesse der Koordinatorin sollte Ihnen eine Vorstellung von der Bedeutung der Sache vermitteln.«
»Oder die Bürokraten spielen mal wieder ihre verdammten Machtspiele.«
»Ich bin sicher, dass, falls der Auftrag Ihnen nicht zusagt, Sie immer noch davon zurücktreten können. Niemand
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