Sternenfeuer
gehöre zum Stab der Welt-Koordinatorin.«
»Dann müssen Sie wissen, was hier vorgeht.«
»Das stimmt.«
»Hätten Sie etwas dagegen, es mir zu erzählen?«
Er ließ flüchtig den Blick schweifen und suchte theatralisch die Wände ab. »Sobald wir an Bord des Schiffe sind, werde ich diese Frage beantworten. Fürs Erste werden Sie uns vertrauen müssen.«
»Was ist das denn für ein großes Geheimnis?«, fragte sie. Sie wollte sich damit nicht abspeisen lassen.
Er lachte. »Schauen Sie, ich habe meine Anweisungen. Es gefällt mir auch nicht, aber es sind nun mal Befehle. Ich vermute, dass Sie sich ... als >Freiwillige< gemeldet haben?«
Nun war sie mit Lachen an der Reihe. »Das ging alles so schnell, dass ich kaum Zeit hatte, mir dieses Outfit zu kaufen«, sagte sie und wies auf ihren Schiffsanzug.
»Ist doch sehr kleidsam. Und nun entspannen wir uns und unterhalten uns über ein Thema, über das wir frei sprechen können. Wieso fangen Sie nicht an, indem Sie mir Ihre Lebensgeschichte erzählen? Schließlich werden wir für eine ganze Weile zusammen sein.«
4
Lisa Arden driftete vor dem kleinen Sichtfenster der Orbit-zu-Orbit-Fähre in der Luft und suchte den Himmel ab. Bis auf die gelbweiße Billardkugel, die die Sonne war, gab es nichts zu sehen. Die Sterne waren zu schwach, um sich mit der »Großen Wasserstoffbombe« am Himmel zu messen, und die Erde war irgendwo hinter ihr. Vom riesigen Orbitalspiegel, der ihr Ziel war, gab es auch keinerlei Anzeichen. Es war, als ob das künstliche Objekt hinter einem großen schwarzen Schleier verborgen wurde.
»Wieso sehen wir ihn nicht?«, fragte sie. Dieter Pavel trieb neben ihr am Sichtfenster in der Mercanter's Wind, der Hoch-Delta-V-Orbitalfähre, in die sie an der Äquatorialstation umgestiegen waren.
»Sehen Sie denn überhaupt etwas?«, fragte Pavel und driftete direkt hinter Lisa. Sie fand, dass er näher auf Tuchfühlung ging als nötig, beschloss aber, kein Aufhebens darum zu machen. Schließlich würden sie für die nächsten Wochen auf engstem Raum miteinander auskommen müssen.
»Die PoleStar*. Wo ist sie?«
»Direkt vor Ihnen«, erwiderte Pavel und wies dabei über ihre Schulter. »Sehen Sie den dunkel glühenden Fleck?«
Sie strengte die Augen an, und tatsächlich schien ein Fleck aus - irgendetwas — die Dunkelheit des Raums zu durchbrechen. Es fiel ihr jedoch erstaunlich schwer, die Augen auf diese Stelle zu fokussieren.
Der Pilot der Fähre hatte kurz nach dem Abflug von der Äquatorialstation bekannt gegeben, dass sie Kurs auf PoleStar nähmen. Während die Information eine von Lisas Fragen beantwortet hatte, hatte sie gleichzeitig ein paar andere aufgeworfen.
PoleStar war gegen Ende des letzten Jahrhunderts als Kraftwerks-Satellit ins Leben gerufen worden. Als riesiger Spiegel in der Erdumlaufbahn hatte er Sonnenlicht auf einen Generator projiziert, um Elektrizität zu erzeugen. Die Elektrizität war wiederum in Mikrowellen umgewandelt und zu einer Rektenne auf der Erde abgestrahlt worden, wo die Mikrowellen erneut umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist wurden. Das Projekt hatte eine beträchtliche Anzahl von Kilowattstunden, aber keine Gewinne generiert. Nachdem die SolSat One Company für ein Jahrzehnt nur rote Zahlen geschrieben hatte, musste sie schließlich Konkurs anmelden.
Die Stromaggregate, das Habitat und Spiegel in der Umlaufbahn waren aus dem geosynchronen Orbit entfernt worden, um den wertvollen »Parkplatz« zu räumen, den sie belegten. Jahre später waren der große Spiegel und das dazugehörige Habitat von Spekulanten gekauft worden, die die Bahn des Satelliten ändern wollten. Ihr Kalkül war, dass sie, wenn sie den Spiegel in einen stark elliptischen Polarorbit brachten — mit dem erdfernsten Punkt über dem Nordpol -, in der Lage wären, die Tage während des langen Polarwinters zumindest für ein paar Stunden zu erhellen.
Auf dem Papier war der Plan jedenfalls ein Füllhorn gewesen. Leider hatten die neuen Eigentümer die Kosten für die Neuausrichtung der Orbitalebene des großen Kraftwerks-Satelliten von der Äquatorial- in die Polarlage gewaltig unterschätzt. Außerdem hatten sie nicht berücksichtigt, wie schwierig es werden würde, den Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften ihre Services zu verkaufen. Weil der in PoleStar umbenannte Spiegel sein Licht gleichermaßen auf Abonnenten und Nicht-Abonnenten warf, waren die Leute kaum motiviert, für die sechs Stunden Zwielicht zu zahlen, das sie jeden
Weitere Kostenlose Bücher