Sternenfeuer
urbayerische Klischee zu erfüllen. Michail Vasloff verließ das Autotaxi und schlenderte ins flache Gebäude. Es lag inmitten von Weingärten, die gerade vor der Lese standen. Er fand Mark Rykand an der Bar, wo er an einem großen Humpen Becks Dunkles Bitburger Premium Pils nippte.
Mark hüpfte vom Barhocker, als er seinen Gast entdeckte, und kam ihm durch den schummrigen Raum entgegen. »Guten Abend, Herr Vasloff!«
Vasloff lächelte. Er wusste, dass er mit dem hageren Gesicht und weißen Haarschopf nicht gar so beeindruckend wirkte. Das war einer der Gründe, weshalb er auf offiziellen Fotos so grimmig dreinschaute. »Edle Spender nennen mich Mischa, Herr Rykand.«
»Und ich bin Mark.«
»Also, Mark. Was zuerst? Essen oder übers Geschäft reden?«
»Ich kann mir vorstellen, dass Sie einen anstrengenden Tag gehabt haben. Wieso essen wir nicht zuerst?«
»Ein ausgezeichneter Vorschlag!«
Der Oberkellner geleitete sie zu einem ruhigen Tisch, der so weit wie möglich von der kleinen Volksmusik-Kapelle entfernt war. Nach einem ersten Getränk und während sie sich einen Teller mit Knackwürsten als Vorspeise teilten, fragte Mark: »Wie war die Tagung?«
Vasloff trank sein Bier aus und lehnte sich zurück. »Anstrengend, wie Sie schon vermutet haben. Es ist sehr schwierig, die Contenance zu wahren, wenn man einer festen Phalanx kurzsichtiger Dummköpfe gegenübersteht. Wie die meisten Menschen glaube ich, dass, wenn ich meine Position nur klar genug zu vermitteln vermag, die anderen die Logik meiner Argumente erkennen. Leider ist ein solches Ergebnis zu utopisch, um in der wirklichen Welt jemals einzutreten. Dürfte ich Sie fragen, Mark, ob Sie ein Rechtgläubiger sind?«
»Bezieht sich das auf meine Religion?«
Vasloff lächelte wieder. »Nicht im formellen Sinn. Wie ein Mensch zu Gott betet, nun, das ist seine Sache. Doch auf einer anderen Ebene bin ich wohl rechtgläubig. Würden Sie sich selbst als einen Expansionisten oder Konservativen bezeichnen?«
»Damit habe ich mich bisher kaum befasst, Mischa. Ich glaube aber, dass ich eher dazu tendiere, ins All zu fliegen und die Sterne zu erforschen. Dort liegt doch unser Schicksal, nicht wahr?«
»Woher wollen Sie das denn wissen?«, fragte Vasloff nonchalant und spießte die letzte Knackwurst auf.
»Ich habe ... das heißt, ich hatte jemanden, der mir nahestand und der ein Teil dieser Aktivitäten war. Ihre Begeisterung hat mich wohl angesteckt.«
Vasloff beobachtete den Sturm der Emotionen, der sich im Gesicht des jüngeren Manns widerspiegelte. Er versuchte aber nicht, in ihn zu dringen. »Ich bin viel älter als Sie. Würden Sie mir zugestehen, dass ich während meiner Zeit auf dieser geschundenen alten Welt etwas gelernt habe?«
»Gewiss.«
»Als ich in meiner Heimatstadt Perm im Vorgebirge des Urals aufwuchs, habe ich mit meinen Freunden immer im Fluss Kama Fische gefangen. Es gibt in diesem Fluss die größten Fische, die Sie jemals gesehen haben; und wild sind die! Sie würden nicht glauben, wie sie kämpfen. Ich habe mich oft gefragt, wie sie wohl schmecken.«
»Sic haben nie einen gegessen?«
Vasloff drehte sich um, bestellte bei der Kellnerin per Handzeichen noch ein Bier und wandte sich wieder Mark zu. »Nein, ich habe nie einen gegessen. Die Kama ist ein großer Fluss, etwa von der Größe Ihres Ohio. Jedoch ist er seit sowjetischen Zeiten mit Schwermetallen und Giftmüll verseucht. Auf Schritt und Tritt scheinen wir auf die alten Müllkippen zu stoßen, die unsere Vorfahren angelegt hatten. Als ich in der Gewissheit in diesem Fluss angelte, nie an seiner Fülle teilzuhaben, weckte dies in mir die Erkenntnis, dass ich im tiefsten Herzen ein Konservativer — ein Bewahrer — bin.«
»Was hat das aber nun mit der Erforschung der Sterne zu tun?«
»Wir haben einen wunderschönen Fluss und exquisite Speisefische. Doch wegen der Verschmutzung, die von Leuten verursacht wurde, die schon seit 300 Jahren tot sind, kann ich nicht von diesem reichlich gedeckten Tisch essen. Ich ziehe daraus nun den Schluss, dass das Leben auf dieser Welt sich in einem sehr labilen Gleichgewicht befindet. Wir neigen dazu, das zu vergessen, weil wir selbst so gut an unsere eigene ökologische Nische angepasst sind. Aber wie sollte es auch anders sein? Im Laufe unserer Entwicklung haben wir uns besser an diese Welt angepasst, als ein Mikron-Handschuh sich um die Hand eines Chirurgen schmiegt. Wir sind an diese unsere Umgebung angepasst und an sonst keine. Meine arme
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