Sternenfinsternis (German Edition)
entfernte Jil’Dro.
Von dem Gedanken beflügelt, sich schon bald in Sicherheit wissen zu können, stürmten Nokturijè und Cameron auf das in der Ferne liegende, rettende Gebirgsmassiv zu.
Nach kurzer Zeit waren sie jedoch nicht mehr imstande, das hohe Tempo zu halten. Das Wasser reichte Nokturijè inzwischen bis über die Knie und Cameron stand es bis zur Hälfte seiner Waden. Das Laufen fiel ihnen dadurch erheblich schwerer. Hinzu kam noch, dass die warmen Ströme aus dem Planeteninnern durch das eisige Gletscherwasser stark heruntergekühlt wurden.
Cameron konnte seine Füße nicht mehr spüren. Am Anfang fühlten sie sich einfach nur kalt an, dann begannen sie zu kribbeln, was sich schon bald zu dem Gefühl von tausend Nadelstichen wandelte – nun empfand er nur noch Taubheit in ihnen, als ob er auf vollgesaugten Schwämmen unterwegs wäre.
»Du schaffst es ... du schaffst es!«, feuerte er sich selbst an.
Trotz seiner Beine, die immer schwerer wurden, ließ er sein Ziel nicht aus den Augen. Kontinuierlich erhob sich Veg’Kras vor ihm und wuchs zu einer ungeahnten Größe heran, die Cameron nicht als real ansehen konnte.
Nokturijè hatte noch massivere Probleme als der Colonel, gegen das zunehmend ansteigende Wasser anzukommen, da sie bedeutend kleiner war als der Mensch. So fiel die Mè immer weiter zurück, ohne dass Cameron dies bemerkte, da er entschlossen und wie in Trance auf die vor ihm liegende Steilwand zusteuerte. Der Schlafmangel und die Strapazen der letzten Tage schienen nun letzten Endes ihren Tribut von der Justikarin zu fordern.
Nur noch wenige Meter trennten sie von ihrer Rettung, was Cameron vermutlich ein wenig nachlässig werden ließ. Plötzlich brach er mit seinem rechten Bein in den Eisboden ein. Aus dem Affekt heraus versuchte er, sein Gewicht auf den anderen, zurückgesetzten Fuß zu verlagern, doch dies war vergebens.
Auf einmal war er umgeben von eisig kaltem Wasser und unendlich erscheinender Finsternis. Ein Kindheitstrauma, welches er längst in die tiefsten Abgründe seiner Erinnerungen verbannt hatte, begann wieder in ihm aufzusteigen. Panisch schlug er um sich, als ob er auf diese Weise das, was ihn gefangen zu halten schien, zu vertreiben imstande wäre. Er wollte einatmen – Luft holen, um die nur spärlich gefüllten Lungen mit dem lebensnotwendigen Gut zu versorgen, doch sein Verstand war noch gegenwärtig genug, um ihn von diesem törichten Plan abzuhalten.
Er musste zur Ruhe finden und seine phobische Angst vor dem Ertrinken wieder unter Kontrolle bekommen, ansonsten würde er dies tatsächlich niemals überleben. Wenn er nur das einfallende Licht hätte wahrnehmen können durch das Loch, durch welches er gefallen war, doch seine Augen waren zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Er sah sich verloren, gefangen in einer ausweglosen Situation, der schlimmsten, die er sich nur vorstellen konnte.
Camerons Sinne schwanden allmählich dahin und er war bereit aufzugeben, sich seinem schicksalhaften Ende hinzugeben, als er undeutlich von einer dumpf-verzerrten Stimme Notiz nahm, die, wie er glaubte, ununterbrochen seinen Namen rief. Ihm war so, als würde sie ihn tief hinab in die Dunkelheit begleiten, an einen Ort, an dem kein Mensch und wahrscheinlich auch kein anderes Wesen dieses Universums jemals landen wollte – in das Reich der ewigen Finsternis.
»Cameron! Cameron!«, schrie Nokturijè den Menschen an, den sie nur Momente zuvor mit großer Mühe aus dem Eisloch gefischt hatte. Während sie verzweifelt versuchte, den Kopf des Colonels über Wasser zu halten, presste sie ihre Finger an seine Halsschlagader, doch Camerons Puls war für sie nicht mehr spürbar. Dann prüfte die Mè seine Atmung, indem sie ein Ohr vor Mund und Nase hielt. Zu ihrer Erleichterung war diese noch vorhanden, jedoch nur noch äußerst schwach.
»Cameron, du darfst nicht sterben! Hörst du? Mach die Augen auf und rede mit mir.«
Doch Cameron regte sich nicht. Sie mussten unbedingt raus aus dem Wasser, denn lange konnte sie nicht mehr dafür sorgen, dass er ungehindert Luft bekam.
In ihrer Verzweiflung erblickte sie einen kleinen Felsvorsprung, der noch nicht vollends geflutet war.
Zur Abwechslung kam ihr hier das Wasser zuhilfe, denn ohne die verminderte Schwerkraft, die in dem frostigen Nass herrschte, hätte es die entkräftete Mè vermutlich nicht geschafft, den muskulösen Menschen die wenigen Meter dorthin zu ziehen.
Nicht ganz so leicht war es jedoch, ihn auf diesen
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