Sternenfinsternis (German Edition)
ausschalten konnte. Ich hatte keine Ahnung, dass dich das so sehr mitnehmen würde.«
Verstört und zugleich auch ein wenig wütend sah er sie an.
»Wie kann das sein? Wie hast du ...? Ich verstehe das nicht, ich habe dich doch ...«
»Sterben sehen?«, vervollständigte sie seinen Satz.
Cameron nickte bestätigend und begab sich auf seine Füße.
»Nein! Das war nur eine mentale Projektion von mir. Doch ich hätte nicht gedacht, dass mich das so anstrengen würde. Zeitweise glaubte ich, dass ich es nicht lange genug aufrechterhalten könnte, bevor der Plan in die Tat umgesetzt wäre. Ich brach zusammen und konnte mich einige Zeit nicht mehr rühren.«
»Ich verstehe immer noch nicht«, musste er ihr gestehen.
»Ich habe mich vor seinen Augen geteilt und zwei unterschiedliche Richtungen eingeschlagen. Es war riskant , denn es hätte sich ebenso gut für mein wahres Abbild entscheiden können, doch es hat funktioniert. Dass du dies nicht gesehen hast, wusste ich nicht. Ich wollte dir nie glauben machen, dass ich tot sei. Es tut mir unsagbar leid, wirklich.«
In ihren Augen konnte Cameron sehen, dass sie die Wahrheit sprach. Jetzt wo sich das Ganze als ein geplantes Täuschungsmanöver herausstellte, auch wenn es eigentlich nicht für ihn bestimmt war, fand er es peinlich, wie er sich verhalten hatte.
Das Wasser war inzwischen knöchelhoch angestiegen, als sich eine Kettenreaktion in Gang setzte, die weitere Teile der Steilwand nahe der Spalte einstürzen ließ. Scheinbar war der Druck, der auf das Eis von der Rückseite einwirkte, mittlerweile so groß, dass es diesem nicht mehr länger standhalten konnte.
»Ach du Scheiße!«, rief Cam, als eine gewaltige Flut an Wasser durch die neu entstandenen Risse und Spalten auf sie zugeprescht kam.
»Lass uns hier schleunigst verschwinden!«
»Klasse Vorschlag!«
So schnell sie konnten, rannten die beiden zu dem Pfad, über welchen sie in das Tal gelangt waren, als sich feine Risse unter ihren Füßen zu bilden begannen. Das Wasser, welches Jahrhunderte lang tief unter einem Eispanzer verweilte, suchte sich nun auch durch den Boden, unter einem immensen Druck, seinen Weg zur Oberfläche.
Kaum dass sie den Pfad erreicht hatten, schossen gewaltige Fontänen, wie Geysire, kilometerweit in den Himmel empor und regneten auf die beiden Flüchtenden hernieder. Das Becken füllte sich in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit.
Oben angekommen, sich in Sicherheit glaubend, mussten sie feststellen, dass sich dieses infernale Szenario bereits auch schon an anderen Stellen zugetragen hatte. Fluten an Wasser überschwemmten die Ebenen und schmolzen das Eis unter sich, was zur Folge hatte, dass der Pegel kontinuierlich und unaufhaltsam anstieg.
»Ich bin kein Geologe oder Sonnenforscher oder wer auch immer dafür zuständig ist, aber ich habe irgendwann mal in einer Dokumentation gesehen, dass Sonnenaktivitäten den Erdkern beeinflussen können. Ist es nicht möglich, dass dies der Grund für die gewaltigen Wassermassen unter der Eisschicht sein könnte?«
Nokturijè überlegte kurz.
»Das, was du da sagst, macht Sinn. Vegkri wird von einer heißen Quelle gespeist, von welcher man vermutet, dass sie ihren Ursprung nahe des Kerns hat. Es ist denkbar, dass durch die Sonnenaktivitäten alles aus dem natürlichen Gleichgewicht geraten ist.«
»Was jetzt?«, fragte Cameron.
Nokturijè sah sich fragend um. Auch wenn das nasse Element eben erst dabei war, das entstandene Becken zu füllen, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Ebene vollständig geflutet sein würde. Eine Erhöhung zu erklimmen und auf Rettung zu hoffen, wäre die einzig logische Handlung – doch es befand sich nichts in unmittelbarer Umgebung, das ihnen die Möglichkeit dazu gegeben hätte.
Für die Mè ergab sich nur eine folgerichtige Option.
»Wir müssen zum Jil’Dro Gebirge zurückkehren. Nur dort haben wir die Chance zu überleben.«
»Du willst mich verarschen oder? Den ganzen Weg zurück? Das schaffen wir nie ... warum nicht dort hin?«, sagte er und zeigte hinter sie.
Nokturijè drehte sich um und erblickte in der Ferne gewaltige Felsmassive.
»Veg’Kras!«, flüsterte sie erleichtert.
Sie zweifelte nicht einen Moment, auf dem richtigen Weg gewesen zu sein und nun hatte sie die visuelle Bestätigung – die kolossale Gebirgskette am Fuße der Kraterstadt Vegkri zog sich über den Horizont hinweg. Die Aussicht Veg’Kras lebend zu erreichen, war unbestreitbar größer als das weit
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