Sternenfinsternis (German Edition)
nicht einmal zwei Quadratmeter großen Vorsprung zu wuchten – doch es gelang ihr.
Aber auch hier konnten sie nicht lange verweilen, da das Wasser immer schneller anstieg. Der nächste Vorsprung lag jedoch gut drei Meter über ihnen. Unmöglich diesen gemeinsam zu erreichen. Nicht solange Cameron noch bewusstlos war, es sei denn, sie würde ihn mittels biokinetisch erzeugtem Schalldruck nach oben befördern. Eine Methode, die sie niemals in Erwägung ziehen würde, wäre ihre Lage nicht so prekär. Doch auch wenn sie mit Bestimmtheit wusste, dass es bei korrekter Dosierung nicht tödlich für ihn wäre, würde es dennoch äußerst schmerzhaft für ihn sein. Die Abschätzung der angemessenen Energiemenge war jedoch nicht das einzige Problem. Sie musste es zudem schaffen, dass er auch wirklich exakt auf dem Vorsprung landete. Ein wenig zu weit links oder rechts und er würde entweder auf den Fels aufprallen oder hinab in die steigende Flut stürzen. Doch sie wusste, sie hatte keine andere Wahl, diese Situation verlangte nunmal ungewöhnliche Maßnahmen.
Sie nutzte die in der Nähe befindliche Wand, um Cameron aufzusetzen und richtete seinen Körper so aus, dass er mit seiner Schulter und dem Kopf an den Felsen gelehnt dasaß. Zwischen ihrem und seinem gekrümmten Körper begann sie in ihren Händen eine durchsichtige, pulsierende Kugel zu formen. Dann warf sie einen Blick nach oben, um sich ein letztes Mal zu vergewissern, dass sie auch den richtigen Winkel gewählt hatte.
»Es tut mir leid. Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg«, flüsterte sie, bevor sie die Kugel gegen seinen nur Zentimeter entfernten Bauch lenkte.
Wie eine Rakete schoss der Colonel, trotz dieser nahezu unspektakulären Aktion, in die Höhe und kam tatsächlich exakt auf dem Vorsprung auf. Nokturijè rechnete mit einem lauten Knacken, da sie befürchtete, dass ihm der Aufprall auf dem harten Stein sämtliche Knochen im Leib bräche, doch stattdessen vernahm sie ein röchelndes Husten.
Schnell kletterte sie ihm nach und fand tatsächlich Cameron, gekrümmt und halbwegs bei Bewusstsein, auf dem kalten Felsen vor. Hustend brach Wasser aus seinem Mund aus, das er vermutlich eingeatmet hatte und das sich durch den harten Sturz nun seinen Weg nach außen suchte.
»Cameron! Hujiu sei Dank, dir geht es gut«, sagte sie erfreut und begab sich zu ihm.
»Na ja, ich wäre fast ertrunken oder? Und wer zum Henker ist eigentlich dieser Hujiu, dem ihr da ständig dankt?«
»Das ist im Augenblick doch vollkommen irrelevant. Wichtig ist nur, dass es dir gut geht.«
Cameron blickte ehrfürchtig die gewaltige Steilwand nach oben.
»Bin ich etwa da herunter gefallen? Wie konnte ich das überleben?«, fragte er verwundert, da er vermutlich den Sturz mitbekommen hatte, jedoch nicht wusste, wie es zu diesem kam.
»Nein, bist du nicht«, entgegnete sie, während sie ebenfalls kurz nach oben sah. »Ich muss dir gestehen, dass ich nicht wusste, wie ich dich hier hochbringen sollte, daher habe ich ...«
Nokturijè stockte, als sie ihre Blicke wieder ihm zuwandte. Vollkommen verkrampft lag Cameron da. Seine Augen waren starr und vor seinem Mund bildete sich Schaum. Panisch versuchte sie, ihn in eine andere Position zu bringen, damit er nicht an seinem Erbrochenen erstickte, doch sein Körper wurde derart von Krampfattacken heimgesucht, dass sie trotz des Einsatzes ihres gesamten Körpergewichts nicht dazu in der Lage war, den Colonel zu fixieren. Abermals musste sie hilflos mitansehen, wie er von dem wohl schlimmsten aller Anfälle befallen wurde.
»Cameron, nein! BITTE! Nicht jetzt! ... Nicht nachdem wir soweit gekommen sind! CAMERON ... CAMERON !!!«, schrie sie in ihrer Verzweiflung.
Kapitel 21
Glühende Flut
»Nach wie vor kein Lebenszeichen von Nokturijè oder Cameron?«, fragte Jaro Kri‘Warth, der wieder einmal von einem erfolglosen Scan aus der Landefähre zurückkehrte.
Der Hüne schüttelte enttäuscht sein zottelhaariges Haupt, während er seine Augen nicht von der inzwischen vollständig überfluteten Kraterstadt abwenden konnte. Auch wenn man es dem Hünen vielleicht nicht von seinem Gesicht ablesen konnte, vermutete Lucas stark, dass er dies alles mit einer gewissen Trauer in seinem Herzen betrachtete – schließlich handelte es sich hierbei um seine Heimat. Und nicht nur, dass er mitansehen musste, wie sie den unbändigen Wassermassen zum Opfer fiel, wusste er auch genau, was dieser Katastrophe folgen würde – die völlige
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