Sternenfinsternis (German Edition)
Anders kann ich es mir nicht erklären, wie es ein Primat so lange unter solch lebensfeindlichen Bedingungen überstehen konnte. Auf unseren ausgedehnten Forschungsreisen stießen wir auf ähnliche Probleme und verloren dabei etliche Besatzungsmitglieder. Die Scans eures Freundes zeigten, dass unsere Rasse den Menschen ähnlicher ist, als wir vermutet hätten. Daher ist es umso erstaunlicher, was er physisch durchstehen konnte.«
»Sie sind Affen!«, rutschte Lucas das raus, was er eigentlich nicht aussprechen wollte.
»Primaten!«, berichtigte Poam den Jungen. »Genau wie die Menschen. Vielleicht sogar von ein und demselben Ursprung. Nur dass sie sich, aus einem mir unerfindlichen Grund anders entwickelten, als wir dies taten, obwohl unsere Genetik sich zu gleichen scheint. Als ob sie beeinflusst wurden.«
Poam räusperte sich.
»Nun gut. Genug philosophiert. Bitte folgen sie mir und Nokturijè, sie begleiten Magga zum Labor.«
Der Syka wurde als Erster zu seinem Quartier geführt, sodass Poam und Lucas letztlich alleine durch die Korridore wanderten.
Lucas glaubte nach wie vor, dass er sich in dem alten Herrenhaus seines Großvaters befände. Die Gänge, durch welche Kommandant Poam ihn führte, glichen denen in seiner Erinnerung bis auf das kleinste Detail. Poam bemerkte seine verwundert umherschweifenden Blicke.
»Gefällt es ihnen?«, fragte der Kommandant amüsiert, doch der Junge war so geistesabwesend, dass er seine Frage nur am Rande mitbekommen hatte.
»Was? Was haben sie gesagt?«, reagierte er unkonzentriert.
»Ich fragte sie, ob ihnen unsere Einrichtung gefällt.«
Lucas sah sich um, als ob er sich erst in diesem Augenblick ein Bild davon machen musste, um die Frage des Porex beantworten zu können.
»Wie haben sie das gemacht ... ich meine ... verdammt! Das ist das Haus meines Großvaters. Und das alles hier existiert noch nicht mal mehr. Es wurde bei einem Brand bis auf die Grundmauern vernichtet.«
»Ich möchte ihnen mein Beileid ausdrücken. Dass ihre Großeltern bei dem Brand ums Leben kamen, war mir bislang nicht bekannt. Hätte ich davon gewusst, hätte ich diese Kulisse nicht gewählt. In ihren Erinnerungen schien es so, als verbänden sie nur Schönes mit diesem Ort. Das Positive war so stark, dass es die schönen Orte der anderen bei Weitem überragte. Aus diesem Grund habe ich ihn ausgewählt.«
Abrupt blieb Lucas stehen und hielt Poam am Arm fest, was ihn ebenfalls zum Stillstand bewegte.
»Soll das heißen, dass sie meine Gedanken gelesen haben?«, sagte er verärgert, während er dem Affenmenschen in die Augen sah.
»Nun, ich würde es nicht Gedankenlesen nennen. Es sind vielmehr Gefühle, die wir empfangen, jedoch nicht nur gegenwärtige, sondern auch vergangene. Ich habe ihre Erinnerungen sondiert, um einen Raum zu schaffen, an dem sie sich wohlfühlen können. Dies führte bislang zu äußerst zufriedenstellender Stimulanz bei unseren Gästen. Doch noch nie hatte jemand ein schlechtes Andenken unter einem so positiven und starken vergraben wie ihr, junger Mann. Äußerst komplex, wie ich zugeben muss.«
»So etwas nennt man bei uns Menschen Verdrängung. Hat jedenfalls mein Psychotherapeut gemeint. Doch das tut hier nichts zur Sache. Schalten sie das ab, dies ist ein Ort, der nur mir gehört und keinem sonst.«
»In Ordnung. Ich möchte nur, dass sie wissen, dass dies keine böse Absicht war.«
»Schon okay, ich bin ihnen nicht böse. Es ist anders als in meinen Gedanken, wo ich diese Erinnerung als Zufluchtsort nutze. Das alles tatsächlich vor mir zu sehen, macht mich einfach nur traurig«, entgegnete Lucas und sah sich dabei bekümmert um.
Poam gab einen kurzen Grunzlaut von sich, woraufhin für Lucas das Vertraute verschwand. Das Bild wurde ersetzt von trist metallenen und stellenweise stark verschmutzten Wänden. Erneut sah sich der Junge um und musste schmunzeln.
»Warum lächeln sie?«
»Nun, jetzt kann ich verstehen, warum sie es vorziehen, ihren Gästen diese Sinnestäuschungen zu präsentieren. Ich hoffe, sie verstehen mich nicht falsch, doch es wäre vielleicht sinnvoller, alles zu säubern und den Wänden einen neuen Anstrich zu verpassen, als jedem etwas vorzumachen.«
»Wahrscheinlich haben sie recht. Da sie jedoch der Einzige sind, der die Wahrheit sieht, würde ich sie bitten, keinem etwas davon zu verraten.«
Irgendwie konnte Lucas sie auch ein wenig verstehen. Wer würde schon ans Aufräumen denken, wenn er eine solche Gabe besaß und die
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