Sternenfinsternis (German Edition)
nur in seine Richtung ziehen musste, wobei er ein Bein seitlich gegen den reglosen Körper stemmte und das andere leicht gebeugt nach hinten als Standfuss nutzte. Auch wenn der Kraftaufwand für ihn lange nicht so hoch war wie für die Mè, machte dies die Sache für ihn keineswegs erträglicher. Lucas versuchte abermals einfach zu ignorieren, dass dies eine Leiche war, an der er herumzerrte und dass er an seinen Händen deren übelriechende Körperflüssigkeit haften hatte.
»Zieh! Zieh!!!«, spornte Nokturijè ihn immerzu mit atemloser Stimme an.
Nur Sekunden später war ein lautes Knacken zu vernehmen, wie das eines großen brechenden Knochens. Die Mè bemerkte, dass Lucas sich durch dieses Geräusch eingeschüchtert zu fühlen schien und in seiner Konzentration wie auch der Zugkraft nachließ.
»Hör jetzt nicht auf!«, fuhr sie ihn streng an. »Wir haben es gleich geschafft.«
Und in der Tat folgten noch weitere leisere Knackgeräusche, als sich vollkommen unvermittelt die Rüstung vom Körper löste.
Dies passierte so plötzlich, dass Lucas keine Chance hatte zu reagieren. Mit voller Wucht flog er gegen die aufgestapelten Holzkisten und prallte hart mit Rücken und Kopf auf. Nach einem kurzen Moment der Benommenheit nahm er, wenn zuerst auch nur verschwommen, die besorgte Miene der Turijain vor sich wahr.
»Alles in Ordnung, Lucas?«
»Ja, ich denke schon.«
Nokturijè half Lucas auf die Beine, der sich im nächsten Augenblick mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck an den pochenden Hinterkopf fasste.
»Der Flug sah wirklich spektakulär aus«, scherzte die Mè.
»Hat sich aber nicht wirklich so angefühlt«, entgegnete er grummelnd.
Nokturijè hielt stolz den vor Schleim triefenden Brustpanzer in die Höhe und verkündete siegessicher: »Sieh doch! Wir haben es geschafft.«
Auch wenn er dies bereits alles andere als appetitlich fand, fielen seine Blicke vollkommen gedankenlos auf den entblößten Leib, wodurch ihn ein heftiger Würgereiz überkam.
»Ja«, sagte Nokturijè. »Nicht gerade schön anzusehen. Bei dem Körperpanzer handelt es sich wohl um eine Art Exoskelett. Dieser gute Junge scheint wohl keinen einzigen Knochen in seinem Leib zu tragen. Wundert mich nur, wie die all ihre Organe am richtigen Platz behalten können. Für mich sieht das nach einem reinen Schleim-Wirr-War aus. Zumindest erklärt dies, warum ich ihm nicht das Genick brechen konnte.«
Die Worte der Mè, waren alles andere als förderlich. Lucas konnte sich nicht mehr zurückhalten. Auch wenn er in letzter Zeit nicht wirklich viel zu essen bekam, entleerte er innerhalb kürzester Zeit seinen gesamten Mageninhalt, bis er nur noch einen schmerzhaften trockenen Würgereiz verspürte.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie, ihm sich von hinten nähernd, um ihm trostspendend ihre Hand auf seine Schulter zu legen.
»Nichts ist in Ordnung, verdammt!«, fuhr er sie schon beinahe schluchzend an und wich ihrer Berührung aus. »Ich fühle mich einfach scheiße! Wie ein Leichenfledderer! Das ist doch total krank«, und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Ich kann mir vorstellen, dass das alles schwer für dich sein muss. Doch wir haben leider keine andere Möglichkeit. Diese Option, die sich uns hier bietet, ist das Beste, was uns passieren konnte. Versuch bitte durchzuhalten, okay. Deinem Vater zu liebe.«
Lucas drehte sich zu Nokturijè um, wischte sich mit seinem Handrücken unter der Nase entlang und betrachtete das Brustpanzerstück in ihrer Hand.
»Glaube aber ja nicht, dass ich dieses Zeug anziehe.«
»Wo denkst du hin. Diese Gelegenheit würde ich doch niemals einem anderen überlassen«, sagte sie mit freudestrahlenden Augen.
Lucas warf noch einmal einen angeekelten Blick auf die merkwürdige Leiche auf dem Boden und er erinnerte sich an den Traum – die Vision in der Huns das Androiden-Wesen in der Kapsel fand. Er fragte sich, ob diese beiden Geschöpfe in irgendeiner Form etwas gemeinsam hatten. Wobei er den Gedanken schon im selben Augenblick wieder verwarf.
Das Wesen, das er dort gesehen hatte, bestand unter seiner Haut aus Metall und Drähten. Dieses Geschöpf jedoch schien aus ›Fleisch und Blut‹ zu sein. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass diese Kreatur anders war als all die anderen Lebewesen, die er bislang zu Gesicht bekommen hatte, war es trotz aller Unterschiede imstande zu bluten, wenn man es verletzte. Aus diesem Grund war er sich nicht mehr so sicher, ob dies nunmehr in
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