Sternenfinsternis (German Edition)
vor Angst gebebt. Diese Station war die letzte, bevor er in Erfahrung bringen würde, was in der Kammer, der bislang keiner wieder entstiegen zu sein schien, tatsächlich geschah. Zudem kam in ihm allein bei der Vorstellung, dass ihn all die Menschen vollkommen nackt sehen würden, ein Schamgefühl auf, wie er es noch nie in seinem Leben zuvor verspürte. Selbst sein Vater, den er hinter sich hoffte, hatte ihn zuletzt als Neunjährigen unbekleidet zu Gesicht bekommen. Es entwickelte sich in seinem Kopf, während er beobachtete, dass sich der wohlgenährte Mann der Mitte zubewegte, zu einer wahren Horrorvorstellung.
Er wusste, jeden Augenblick würde sich die Tür aufschieben und seine Füße würden einfach losmarschieren, ohne dass er dies tatsächlich wollte – und so war es dann schließlich auch.
Als sich die Tür öffnete, setzten sich seine Beine in Gang und Lucas betrat den Bereich, an dem sich bislang alle, gänzlich, ohne nur einen Moment zu zögern, zu entkleiden begannen.
Lucas nahm, wie ferngesteuert, zuerst seine Schnürstiefel in Angriff, zog diese aus und warf sie neben sich in eine kreisrunde Öffnung am Boden, in welcher sich eine kristallklare Substanz befand. Kaum dass seine Stiefel darin gelandet waren, begann die zähflüssige Brühe sie augenblicklich zu zersetzen, bis rein gar nichts mehr von ihnen übrig war. Dann folgten seine Socken, die er wie seine Stiefel zuvor, ebenfalls in das Loch warf.
Während er sich seiner CSA-Jacke und dem T-Shirt entledigte, offenbarte sich ihm wieder der Blick zu der letzten Station, auf das scheinbar unabwendbare Ende seines Weges. Er sah, wie ein unbewaffneter Mÿnotrôn in die Kammer hineinging, ein auf dem Lochboden liegendes Gerät herausholte und anschließend in einen großen Behälter warf, in welchem bereits Berge davon enthalten waren. Inzwischen hatte sich der Nächste in der Reihe – ein Mann mittleren Alters – in Bewegung gesetzt und bestieg die Kammer mit einem ganz und gar emotionslosen Ausdruck in seinem Gesicht. Der Mÿnotrôn betätigte einen Schalter und die Kammer schloss sich.
Lucas ließ gerade sein Shirt über dem Loch aus den Fingern gleiten, als das Licht um ihn herum einige Male aufflackerte und schließlich komplett ausfiel. Für wenige Sekunden versank die gewaltige Halle in absoluter Dunkelheit, in der Lucas angsterfüllt seinen Atem anhielt.
Als das Licht wieder anging, sah sich Lucas verwundert um, sowie jeder andere Mensch, der sich in dem Saal befand. Aufgrund der plötzlichen Finsternis, die sich ereignete und der Frage, was es damit auf sich hatte, bemerkte Lucas zuerst nicht, dass er wieder die volle Kontrolle über seinen Körper besaß.
Voller Begeisterung darüber, sah er sich nach seinem Vater um und entdeckte ihn schließlich genau dort, wo er ihn zu finden hoffte – er war die ganze Zeit über direkt hinter ihm. Nathans Blicke waren jedoch nicht auf seinen Sohn gerichtet, sondern in Richtung der anderen Menschen, die bereits die Enthaarungsstation hinter sich gebracht hatten.
Wie Lucas selbst durch das Glas sehen konnte, hatten die Nackten den einzigen Mÿnotrôn, der sich im Saal befand, überwältigen können und machten sich daran, die Kammer zu öffnen, in der sich noch immer dieser eine Mann befand, den er noch Momente zuvor hineingehen sah.
Mit aller Kraft und vollem Körpereinsatz rammte dieser von innen gegen die Scheibe, während andere Männer mit allen möglichen Gegenständen, die sie finden konnten, von außen dagegen schlugen. Doch nichts geschah, das Glas wackelte noch nicht einmal. Erneut unternahm der Mann einen verzweifelten Versuch, seinem Gefängnis auf diese Weise entfliehen zu können, doch das Einzige, was daraus resultierte, war eine schmerzende und stark gerötete Schulter. Ans Aufgeben dachte der Mann jedoch nicht. Immer panischer wurden seine Rammbock-Aktionen. Lucas glaubte schon, er müsse mitansehen, wie der Mann sich bei den folgenden Versuchen seine eigene Schulter brach, als eine klare liquide Flüssigkeit von unten in die Kammer gepumpt wurde. Panisch sah der Mann auf den Grund der Kammer und fing mit einem Mal an, wie ein Besessener zu schreien und zu toben. Was dazu führte, dass diejenigen, die zuvor keine Mühe gescheut hatten, ihn daraus zu befreien, plötzlich erschrocken zurückwichen.
Lucas konnte sich diese Verhaltensweise zuerst nicht erklären. Als sein Blick, wie durch einen Geistesblitz gelenkt, auf das Loch im Boden hinter sich fiel.
»Ach du Scheiße!«,
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