Sternengötter
und Sündenpfuhlen der Stadt war es nicht nötig, die Haustür abzuschließen, da sich alle, die an der Halbinselstraße wohnten, ohnehin sehr gut kannten.
Storra wartete auf ihn. In den Nächten, in denen er mit dem Netz loszog, blieb sie immer auf und arbeitete an dem Webstuhl, der im vorderen Teil des Hauses stand, um sich mit dieser Arbeit bis zu seiner Rückkehr wachzuhalten. Aus der Küche drang ein scharfer Geruch, der an Jentblätter und Koroil erinnerte: Sie bereitete ihm stets einen nächtlichen Snack zu, da sie nur zu gut wusste, wie hungrig er nach einer lange Nacht des Jagens und Netzeinholens war.
Als er sich abrupt aufrichtete und sich sein dünner Torso ausdehnte und ob der Anstrengungen der einzigen, gefalteten Lunge darin zusammenzog, drehte sie sich um und beäugte ihn von oben bis unten. Das in der Küche vor sich hin brutzelnde pikante Essen ließ zwar ihre Zuneigung zu ihm erkennen, ihr Tonfall klang jedoch ganz anders. Aber so war Storra nun mal: Unvorhersehbar kollidierten bei ihr Sorge und Spitzzüngigkeit.
»Du bist früh zurück«, stellte sie fest.
»Ich habe … etwas gesehen …!« Ebbanais Oberkörper sank auf seine flexiblere untere Hälfte. Die Beschaffenheit und die von der Evolution hervorgebrachte Form der dwarranischen Wirbelsäule verhinderten, dass er sich zu weit vornüberbeugte. Er rang nach Atem.
Sie erhob sich von ihrer bequemen Position vor dem Webstuhl, legte das indigofarbene Seeshan beiseite, das sie in den halbfertigen Teppich eingearbeitet hatte, und warf einen Blick auf den Rücken ihres Gefährten.
»Anscheinend hast du nichts Essbares mitgebracht. Ich sehe das Netz, aber keinen Feyln, keine Marrarra, nicht mal eine Handvoll weichschaliger Tibordi.«
Er hielt inne und wirkte peinlich berührt, da er vergessen hatte, das immer noch feuchte Netz draußen zum Trocknen aufzuhängen.
Rasch machte er einige Schritte rückwärts und warf es vor die Vordertür, ohne darauf zu achten, ob es sorgsam gefaltet war. Ihre Augen zogen sich verwirrt zusammen, als er zum ersten Mal während ihres Zusammenlebens den Bolzen zurückschob, der die Tür sicherte.
»Du hast nicht gearbeitet«, warf sie ihm anschuldigend vor. »Du hast nur die Sterne angeglotzt und mit den beiden Nichtsnutzen Brrevemor und Drapp zu tief ins Glas geschaut!«
»Nein, nein«, korrigierte er sie rasch. »Ich schwöre beim Erbe meines Vaters, dass ich heute Abend keinen von ihnen gesehen habe!« Ein merklicher Schauer lief ihm vom Ansatz seines glatten Schädels den ganzen Rückenhinunter, bis sogar seine Fußlappen sichtbar zitterten.
Ihr verdrießlicher Blick verwandelte sich rasch in Besorgnis. »Bist du krank, Ebbanai?«
»Nein, bin ich nicht.« Er näherte sich ihr und streckte alle acht Greiflappen aus. »Zumindest denke ich das.«
Daraufhin beugte er den Kopf vor und fuhr die beiden fleischigen Antennen aus, die seiner Stirn entsprangen, sodass diese den Kontakt zu jenen seiner Partnerin herstellen konnten. Die starke Gefühlsregung, die durch ihn hindurchströmte und auf sie überging, versetzte ihr einen leichten Schock. Alarmiert zog sie ihre Fühler so schnell sie konnte von den seinen zurück und machte einen Schritt nach hinten. Ihre Augen waren nun geweitet und traten deutlich aus den flexiblen Höhlen hervor.
»Mersance!« , rief sie und hatte ihr Verhalten ihm gegenüber durch die Emotionen, die er durchlebte, völlig verändert. »Was ist passiert, mein Gefährte? Was hast du da draußen gesehen ?« Ihr charakteristischer Sarkasmus war nun ganz und gar großer Besorgnis gewichen.
»Ich weiß es nicht genau. Es war ein Wunder, ein schlechter Traum oder auch etwas völlig anderes. Etwas Unmögliches war es auf jeden Fall.« Er ging an ihr vorbei und sank neben dem Eingang zur Küche in eine Hockposition. Als sie diese Geste mit einer eigenen bestätigte, betrat er den Raum, doch er war viel zu nervös, um den nächtlichen Eintopf, den sie für ihn gekocht hatte und der einladend duftete, zu kosten. Stattdessen stürzte er nervös zum einzigen Fenster des Raumes und starrte hinaus in die Nacht. Sie folgte ihm und legte ihm ihre rechten Fingerlappen auf die Schulter.
»Ich hatte gerade die Thorallen gesetzt und das erste Netz an diesem Abend ausgeworfen«, erzählte er ihr, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden, »als etwas vom Himmel herunterfiel.«
Sie schaute verkniffen. »Vom Himmel herunter?«
Seine Fühler malten Muster in die Luft. »Ich dachte, ein vierter Mond wäre
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