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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie auch die Krise, die sie auf dem Schiff durchgestanden hatten, enger zusammengeschweißt, geradeso als hätten sie einen gemeinsamen Kampfeinsatz hinter sich.
    Es war kompliziert. Er war es nicht gewöhnt, so tief in seinen Gefühlen zu graben; in einer Kasernenkugel hatte man nicht viel Ruhe zum Nachdenken.
    Aber auch hier gab es natürlich jede Menge Ablenkungen. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Bett.
    Er untersuchte den Raum und entdeckte Türen zu einer Toilette und einem Duschraum – kein Reinigungstuchlager, sondern ein Raum, in dem auf sein Kommando fließendes Wasser aus einem Spalt in der Decke kam. Pirius probierte es aus. Obwohl das Wasser heiß und klar war, fühlte er sich hinterher irgendwie unsauber. Vielleicht kam das Wasser aus einem sicheren Recyclingtank, womöglich stammte es aber auch aus dem Fluss oder dem Meer. Er glaubte nicht, dass er dieses seltsame Erlebnis jemals genießen würde.
    Pirius trocknete sich ab und zog sich eine frische Uniform an.
    Er ging zur Tür. Dort zögerte er einen Moment. Aber er hatte die weite Reise zur Erde nicht zurückgelegt, um sich zu verstecken. Als er an die Tür tippte, glitt sie lautlos auf, und er verließ das Zimmer.
    Die Wohnung war erstaunlich groß und erstaunlich leer; in einem Raum von dieser Größe, dachte Pirius, hätte man fünfhundert Soldaten unterbringen können, aber er stand nur einem einzigen dicken Kommissar zur Verfügung. Während er herumschlenderte, eilten kleine Wartungsroboter lautlos hinter ihm her, schubberten am Teppich und entfernten alle Spuren seiner Anwesenheit. Die Wohnung lag direkt unter der Kuppelhülle, und in die Außenwand waren große Panoramafenster eingelassen. Das Licht des Muttergestirns durchflutete ungefiltert die Räume. Pirius, der sich zu akklimatisieren versuchte, schreckte vor diesem Licht zurück.
    Die Funktionen einiger Räume waren offensichtlich; einer enthielt beispielsweise einen langen, von Stuhlreihen flankierten Konferenztisch. Pirius strich über die Oberfläche des Tisches. Sie war hellbraun mit einer Art Maserung, ein Material, das er noch nie gesehen hatte. Andere Räume schienen Freizeitzwecken zu dienen; vor den Fenstern standen meist niedrige Tische und Stühle.
    Jeder Raum war mit Artefakten angefüllt, vielleicht Andenken oder Objekte von Nilis’ Studien. Einige davon waren Virts, komplexe, dreidimensionale, nicht ganz fertig gestellte Skizzen, die in der Luft schwebten. Aber es gab auch viel ältere Technologien. In einem Raum fand Pirius sogar eine Reihe von Büchern – ein Wort, das er allerdings erst später kennen lernen sollte –, Papierblöcke, die man in der Hand hielt.
    Ein Raum enthielt so etwas wie eine Ausstellung: Zertifikate und Tafeln bedeckten die Wände, und in offenen Vitrinen schimmerten Medaillen und kleine Statuen. Es gab sogar ein virtuelles Display, eine sich drehende und funkelnde Darstellung der Doppelhelix. Viele dieser Gegenstände trugen kleine Schilder mit Aufschriften. Pirius konnte nicht sehr gut lesen – in seinem Job war das Lesen nur ein Zugangssystem zu gespeicherten Daten –, aber er stellte fest, dass überall Nilis’ Name stand. Es war nicht schwer zu erkennen, dass diese Artefakte Trophäen, Preise und Zertifikate waren: Symbole für Erfolg, für Anerkennung. Auch dies war schrecklich undoktrinell. Man sollte seine Pflicht um ihrer selbst willen tun, nicht um dafür Anerkennung zu ernten, nicht aus Stolz. Aber die kleinen Symbole schrien nicht nach Aufmerksamkeit; sie waren hier mit einem stillen, unordentlichen Stolz versammelt, Kennzeichen eines erfolgreichen Lebens.
    Tatsächlich war die gesamte Wohnung wie eine Projektion von Nilis’ Persönlichkeit: vielgestaltig, unordentlich, rückständig, verwirrend.
    Zuletzt gelangte Pirius zu einem Raum, wo die Wand zwischen zwei riesigen Fenstern von einer offenen Tür durchbrochen war.
    Er blieb wie erstarrt auf dem dicken Teppich stehen. Eine tief verwurzelte Panik stieg in ihm auf. Aber dies war die Erde, die einzige Welt in der Galaxis, wo man eine Kuppel sogar ohne einen Hautanzug verlassen konnte, im sicheren Wissen, dass man es überleben würde. Er erinnerte sich an das kleine Mädchen auf der Insel, das keine Furcht gezeigt hatte.
    Pirius sah Nilis im freien Raum jenseits der Tür. Barfuß, seine Kommissarsrobe bis zu den Knien gerafft, ging er fröhlich durchs helle Licht. Er trug etwas Grünes und Komplexes in den Händen. Pfeifend verschwand er außer Sicht.
    Pirius holte tief Luft.

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