Sternenkinder
natürlich. Ins Geheimarchiv der Koalition.«
Torec flüsterte Pirius zu: »Welches Geheimarchiv? Dieses Gerede gefällt mir nicht.«
»Mir auch nicht.«
Pila, Gramms Beraterin, hatte sich keine Mühe gegeben, ihre wachsende Verärgerung zu verbergen. Jetzt schien sie die Geduld zu verlieren. »Weshalb hören wir uns diesen häretischen Unsinn noch weiter an? Welche Macht hat diese Frau über uns, Herr Minister?«
Luru Parz lächelte. »Warum sagen Sie es ihr nicht, Gramm?«
Gramm machte ein wütendes Gesicht, antwortete aber nicht.
»Oh, ich bin nur eins der vielen kleinen Geheimnisse der Koalition«, sagte Luru ruhig. »Eine der vielen Verletzungen der Doktrinen. Ich werde geduldet, weil ich nützlich bin. Viele Jahre lang hatte ich eine gespannte… äh… Arbeitsbeziehung mit Gramm, ebenso wie mit seinen Vorgängern und Vorvorgängern. Und davor – nun, mein Leben ist manchmal kompliziert gewesen. Aber heutzutage geht es zivilisiert zu. Die Koalition toleriert unsere Forschungen hier auf Port Sol, solange wir die Ergebnisse an sie weiterreichen. Natürlich könnte sie uns jederzeit vernichten. Andererseits könnte ich aber auch der Koalition erheblichen Schaden zufügen.« Sie öffnete den Mund weit und zeigte geschwärzte Zähne.
Nilis schien auf einmal zu verstehen. Ihm sackte das Kinn herunter, und er schluckte, bevor er wieder sprechen konnte. »Dieses ganze Gerede über die Tiefen der Zeit… Port Sol war immer ein berüchtigtes Versteck von Jasoft-Flüchtlingen. Und nicht alle sind den Säuberungen zum Opfer gefallen, nicht wahr? Sie sind eine von ihnen, Luru Parz. Sie sind eine Jasoft.«
Pila zuckte zurück, als hätte man ihr einen Schlag versetzt; ihr ausdruckslos-höfliches, hübsches Gesicht verzerrte sich vor Abscheu, der stärkste Ausdruck, den Pirius jemals bei ihr gesehen hatte. Nilis starrte Luru nur völlig fasziniert an; sein Verstand trug wie so oft den Sieg über seine Gefühle davon.
Pirius war wie gelähmt. Er starrte Faya an, die sie durch die Grube geführt hatte. War sie auch eine der Alten? Sie hatte vom Tanzen in den schwebenden Palästen Port Sols gesprochen – aber der Eismond war seit zwanzigtausend Jahren praktisch verlassen. Konnte es sein, dass es nicht bloß ein Traum war?
Torecs Hand glitt in seine. An diesem kalten Ort, weit von zu Hause entfernt, umgeben von so vielen schauerlichen Geheimnissen, war die Berührung warmer Haut tröstlich.
Pila drehte sich zu ihrem Vorgesetzten um. Die Verletzung der Orthodoxie schien sie mehr aufzuregen als die kalte biologische Realität der Jasofts. »Herr Minister, wenn das stimmt – weshalb werden diese Monstrositäten geduldet?«
Gramm sagte nichts. Sein rundes Gesicht war puterrot.
Luru antwortete an seiner Statt: »Nun, ich bin nützlich, verstehen Sie. Und ich weiß zu viel, als dass man auf mich verzichten könnte. Stimmt’s, Gramm?«
»Sie alte Hexe«, sagte Gramm angespannt.
»Hexe? Falls ja, habe ich Sie hierher gebracht, um Sie an meinen Zauber zu erinnern«, sagte sie mit dunkler Stimme.
Gramm sah sie wütend an. Aber es war klar, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihr zu geben, was sie wollte.
Als die Besprechung zu Ende war, trat Torec auf Luru zu. Sie war offenkundig fasziniert.
»Aber wie leben Sie?«
Luru zwinkerte ihr zu. »An den meisten Tagen schlafe ich viel.« Sie legte den Ensigns die Hände auf die Schultern; Pirius fand, dass ihre Haut sich warm und weich anfühlte: menschlich, ganz und gar nicht fremdartig. »Kinder, ihr habt bestimmt genauso viel Hunger wie ich«, sagte sie. »Wir haben einiges zu tun. Eine große Mission – die Eroberung einer Galaxie. Aber zuerst essen wir mal was. Kommt mit!« Und sie führte sie davon.
18
Draußen auf der Oberfläche des Steinbrockens lernten die Kadetten, hinter einem Artilleriesperrfeuer vorzurücken.
Es war eine weitere brutal einfache, unglaublich alte Taktik. Hinter den vorrückenden Truppen stand eine Reihe von Monopolkanonen, die effektivste Waffe der Menschheit gegen die Xeelee-Technologie. Die Kanonen eröffneten vor Beginn des Vormarschs das Feuer und schossen scharfe Granaten über die Köpfe der Soldaten hinweg. Von der Idee her sollte der Granatenhagel die feindlichen Stellungen dem Erdboden gleichmachen, sodass die Soldaten losstürmen und die Positionen kampflos einnehmen konnten. Dann sollte sich das Sperrfeuer weiter vorarbeiten, ein Feuervorhang immer knapp vor den vorrückenden Truppen, der den Gegner beständig
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