Sternenlaeufer
beiseiteglitt und einen dunklen Gang freigab. »Der führt zu Prinz Pols Räumen«, informierte sie die überraschten Wachen. »Und dann weiter nach unten. Es sind ungefähr eine Million Stufen bis hinab zum Fluss. Ich hoffe, Ihr seid gut in Form«, fügte sie hinzu. »Vergesst nicht, die Kerzen zu löschen, ehe ihr aus dem Gang tretet, und macht im Boot auf keinen Fall Licht. Und …« Sie stockte kaum merklich. »Und schützt meinen Gemahl.«
»Mit unserem Leben, Herrin«, versprach einer von ihnen und folgte Donato durch die Öffnung. Jeder von ihnen trug eine Kerze. Der zweite Mann blieb zurück und studierte taktvoll einen Wandteppich, als Alasen sich Ostvel zuwandte.
»Ich würde gern mit dir kommen, aber du weißt ja, wie ich mich fühle, wenn ich Wasser überqueren muss.«
Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. »Ich wünschte, du würdest es dir noch einmal überlegen, ob Sioned oder Riyan sich nicht mit dir in Verbindung setzen sollen wegen der Neuigkeiten, die Donato ihnen schickt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Die haben genug Probleme, da müssen sie mich nicht auch noch auf ihrer Liste haben. Ich komme zurecht.«
Er bedrängte sie nicht weiter. Schließlich bückte er sich, streifte mit seinen Lippen ihren Mund und war überrascht, als sie die Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn schmiegte.
»Sei vorsichtig.« Dann ließ sie ihn ebenso plötzlich los, wie sie ihn umarmt hatte. »Beeil dich.«
Einige Augenblicke später hörte er das Kratzen von Stein, der sich hinter ihm schloss, während er mit seiner Kerze durch den schmalen Gang schlich. Er setzte darauf, dass vier Mann in derselben Zeit nach Drachenruh gelangen konnten, in der eine Armee von Rezeld aus dorthin marschierte. Der schnell strömende Faolain würde sie zu einer Anlegestelle bringen, und dort würden sie Pferde bekommen. In seinem Alter freute er sich nicht auf einen schnellen Ritt, aber mit ein wenig Glück würden sie es rechtzeitig schaffen.
Und der Grund, aus dem er diese verrückte Sache machte? Ostvel drückte fest auf den Stern, der in die Holzvertäfelung von Pols Schlafgemach geschnitzt war, und stieg als Erster durch die Öffnung. Er vermutete, dass es Gewohnheit war, da er sich ein halbes Leben lang um die Interessen seines Prinzen gekümmert hatte. In Drachenruh gab es niemanden, der ausreichend Autorität besaß, um Lord Morlen entgegenzutreten; so war es seine Pflicht als Regent, in Pols Abwesenheit dieses ungesetzliche Unternehmen zu vereiteln. Leicht durchschaubar, dachte er; es sieht tatsächlich so aus, als würde man auf die Einhaltung von Rohans Gesetzen dringen, aber niemand, der eine Armee gegen seinen Prinzen aufstellt, wird sich um eine solche Lappalie wie ein Gesetz scheren. Abgesehen davon hast du nie im Leben eine Defensive geleitet, wenn man den Angriff der Merida auf Stronghold 704 einmal nicht zählt. Und selbst da waren es Maeta und Myrdal gewesen, die die Verteidiger angeführt haben.
Er befahl einen Halt auf halbem Wege die unendliche Treppe hinab, damit sie alle vier ihre Beine ausruhen konnten, ehe die Knie zu Brei wurden. Während der kurzen Rast grübelte er weiter über seine Motive nach. In Drachenruh gab es keinen Lichtläufer, der Pols Befehle aus der Ferne empfangen konnte. Es war unbedingt notwendig, dass Donato dorthin gelangte. Aber diese Ausrede war kaum überzeugender als die andere. Wenn Andry Donatos Nachricht sofort weitergeleitet hatte, obwohl er sie wohl nicht glaubte, dann würde etwa zur selben Zeit wie Ostvel jemand im Palast eintreffen.
Falls Andry es Rohan und Sioned wirklich erzählte. Das war es.
Sein wirklicher Grund war, dass Andry sich nicht unter den wenigen Menschen befand, denen er absolut vertraute. Vom Verstand her wusste er, dass es für Andry kein Motiv geben konnte, diese Vorgänge zu verheimlichen, aber Vertrauen erwarb man nun mal nicht mit dem Verstand. Ostvel wollte in Drachenruh sein, wollte warnen und notfalls die Führung übernehmen, um seinen Prinzen zu verteidigen, wie er es fast dreißig Jahre lang getan hatte.
Kapitel 18
Stronghold: Frühjahr, 32. Tag
Rohan unterdrückte ein Gähnen und schob die Arme in das Hemd, das sein Knappe ihm hinhielt. Sioned saß vor dem Spiegel ihres Frisiertisches. Der Sonnenschein tauchte sie in Gold, als sie ihre Haare flocht. Es war ein Morgen wie jeder andere, abgesehen von ihrem Schweigen. Er nickte Arlis zu und erteilte ihm damit die Erlaubnis, sich zurückzuziehen, denn er vermutete, dass seine
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