Sternenlaeufer
Gemahlin mit ihm allein sein wollte. Er hatte Recht; sie wartete nur, bis sich die Tür geschlossen hatte, und fing dann an zu sprechen.
»Ich vermute, das Mädel kommt mit.«
»Ich denke schon.«
Gestern Abend hatte Pol vorgeschlagen, einen Ausflug zum Rivenrock Canyon zu machen, um die Drachenhöhlen zu besichtigen. Rialt war schon früh mit einem Dutzend Diener und dem an den Seiten offenen Pavillon losgezogen, in dem der Gesellschaft ein einfaches Mahl aufgetragen werden sollte, ehe man gemütlich und rechtzeitig zum Abendessen zurückritt. Der Ritt bot eine angenehme Abwechslung, und angesichts der Diskussionen, die ihn erwarteten, wünschte Rohan fast, man hätte ihn dazu eingeladen.
»Es wäre schön gewesen mitzureiten«, fuhr er fort. »Aber wir tun ja sonst meistens, was uns gefällt. Dafür bezahlen wir nun an Tagen wie diesem.«
»Wer ist heute der Erste, Miyon oder Lord Barig?«
»Welchem von beiden würdest du denn lieber aus dem Weg gehen?«
»Habe ich eine Wahl?« Sie schenkte ihm ein missmutiges Lächeln.
»Beide erwarten atemlos, zu dir gerufen zu werden.« Er schloss die Manschetten seines Hemdes und beugte sich vor, um in ihrem Spiegel einen Blick auf sein Haar zu werfen. »Weißt du, ich sehe das Grau immer dann, wenn Pol hier ist.«
»Wo wir schon von ihm sprechen …« Sie erwiderte sein Stirnrunzeln im Spiegel mit einem Runzeln ihrer eigenen Stirn. »Du vertröstest mich jetzt seit vier Tagen und …«
»Sioned, ich kann mich weder auf Miyons Intrigen noch auf Barigs Streitereien konzentrieren, wenn ich mich durch das ablenken lasse, was mit Pol los ist.«
»Du hättest Arlis nicht hinausgeschickt, wenn du nicht bereit gewesen wärest, darüber zu sprechen. Und genau das werden wir jetzt tun.« Sie wirbelte auf ihrem gepolsterten Hocker herum. »Miyon hat sich nie gegen uns durchsetzen können, und deshalb greift er jetzt auf diese gemeine Hinterlist zurück. Er versucht, Pol mit diesem Mädchen zu ködern.«
»Glaubst du, Pol weiß das nicht? Ich habe dir doch von Sionells Bemerkung erzählt, dass er genau weiß, warum Meiglan hier ist.«
»Und warum stolpert er dann kopfüber in die Falle? Und für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt haben solltest: Er ist kein Kind mehr. Er ist ein Mann. Hoffe lieber, dass er mit dem denkt, was zwischen seinen Ohren ist, nicht mit dem, was sich zwischen seinen Beinen befindet.«
Rohan befahl sich, geduldig zu bleiben. »Warum sprichst du eigentlich nicht mit ihm?«
»Das habe ich getan«, erwiderte sie knapp und wandte sich wieder dem Spiegel zu. Mit flinken Fingern durchsuchte sie wütend ihr Schmuckkästchen. »Gestern.«
»Was hat er gesagt?«
Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Dass es nur gute Erziehung ist, wenn man höflich mit jemandem umgeht, der offensichtlich sehr schüchtern und nicht an Gesellschaft gewöhnt ist. Dass er ihr gutes Aussehen bewundert. Dass ich doch wohl nicht im Ernst verlangen kann, dass er sie nur wegen des Mannes, der ihr Vater ist, links liegen lässt.« Sioned schlug das Kästchen zu. »Dass ich mich um meine Angelegenheiten kümmern soll, nicht um seine!«
»Das hat Pol niemals gesagt!«
»Man konnte es heraushören.«
Rohan legte ihr die Hände auf die Schultern und massierte die verspannten Muskeln. »Meine Liebe, seit wir erfahren haben, wer dieser Ruval wirklich ist, bist du nervös. Ich glaube, du bist ein bisschen zu empfindlich.«
»Behandle mich bloß nicht so gönnerhaft«, warnte sie. »Ruval ist ein weiterer Punkt, über den du nicht mit mir sprechen willst, und glaube nur nicht, ich wüsste nicht, warum.« Sie funkelte ihn im Spiegel an. »Nervös bin ich? Zu empfindlich? Es sieht so aus, als hätte Pol wahrhaftig vor, die uneheliche Tochter eines Feindes zu erwählen, Ianthes Söhne sind plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, um sein Recht an der Prinzenmark infrage zu stellen, wobei außerdem noch Zauberei eine Rolle spielt, und ich kann nicht einmal meinem eigenen Gemahl gegenüber unter vier Augen ausdrücken, was ich empfinde?«
»Sioned!« Er hatte sie selten so erregt gesehen. »Ich gebe zu, diese Bedrohungen sind da, aber Pol ist kein Kind mehr. Und er ist nicht so dumm, Meiglan zur Frau nehmen zu wollen!«
»Glaubst du?«, wollte sie wissen. »Wirklich? Wenn du mit Ja antwortest, bist du ein Lügner.«
»Du und ich, wir beide haben uns versprochen, einander immer die Wahrheit zu sagen. Oder wenigstens nie zu lügen, was nicht ganz dasselbe ist, wie du bei verschiedenen
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