Sternenlaeufer
gequält und mich vom Sonnenlicht ausgesperrt. Und sie hätte dich erzogen und genauso schlecht gemacht, wie sie es war. Ich konnte das nicht geschehen lassen, Pol. Sie hat dich ausgetragen, aber du warst niemals ihr Sohn.« In Sioneds Stimme lag jetzt ein flehender Unterton. Aber Rohan erkannte, dass sie es selbst in ihrer Qual fertiggebracht hatte, eine andere Wahrheit für sich zu behalten: dass es Ostvel gewesen war, der Ianthe getötet hatte. Das würden sie Pol niemals erzählen.
»Dann … dann ist Ruval mein Halbbruder«, sagte Pol langsam, als erwache er aus einem langen Schlaf. »Und mein Leben ist eine Lüge.«
»Pol!« Rohan trat zu ihm und ergriff seine Schultern. »Du bist jetzt niemand anderer als vorher, bevor du die Wahrheit gekannt hast! Was hat sich denn geändert? Du stammst von Prinzen ab, du bist ein Faradhi, und du bist mein Sohn. Und Sioneds.« Er starrte ins Gesicht seines Sohnes und wollte Pol dazu bringen, dass er die Worte sagte, die Sioned von ihren Qualen erlösen würden.
»Niemand anderer?«, fragte der junge Mann ungläubig. »Ich erfahre, dass ich ein Diarmadhi bin, dass ich das Kind einer Vergewaltigung bin, dass mein Vater meinen Großvater getötet hat, dass meine Mutter …« Er stieß ein kurzes, ersticktes Lachen aus. »Welche Mutter?«
»Pol …«
»Niemand anderer?«
»Bist du denn weniger als vorher, ehe du das wusstest?«, fuhr Rohan ihn an.
»Ich bin mehr«, antwortete Pol mit leiser, tödlicher Stimme.
Rohan trat von ihm zurück. »Das kann dich nur verändern, wenn du es zulässt. Ianthe mag dich zur Welt gebracht haben, aber du warst niemals ihr Sohn. Niemals. Fühlst du Verwandtschaft mit Ruval? Die Bindung an einen Bruder? Wer hat dich denn ernährt, erzogen, geliebt, gelehrt …«
Sioned stöhnte tief aus ihrer Brust. Rohan wandte sich zu ihr um und wurde traurig, als er den Ausdruck in ihren Augen sah. Was sie immer befürchtet hatte, war jetzt eingetreten. Pol gab ihr die Schuld und stieß sie zurück. Für etwas, was Rohan getan hatte.
Er sah seinen Sohn wieder an. »Es ist für uns nicht einfacher als für dich. Wenn wir eine Wahl gehabt hätten …
»Dann hättet ihr es mir nie erzählt. Das ist offensichtlich. Ihr hättet mich weiter eine Lüge glauben lassen!« Pol sprang auf.
»Dass du Sioneds Sohn bist? Ist das denn wirklich eine Lüge? Pol, sieh dich doch an. Erkennt man Ianthe in dir?«
»Warum habt ihr es mir nicht erzählt?«, schrie Pol. »Warum habt ihr es geheim gehalten?«
»Wenn du jemandem die Schuld geben musst, dann gib sie mir«, bat Rohan.
»Weiß du, was sie für Rohan geplant hatten, Pol?« Sioned sprach mit absichtlich harter Stimme. »Weißt du, was sie vorhatten, deine Mutter und ihr Vater? Rohan und Ianthe sollten heiraten. Sobald ein Erbe geboren worden war, sollte Rohan getötet werden. Die Wüste wäre Teil der Prinzenmark geworden. Ianthes Sohn sollte als Hoheprinz beides regieren, wenn Roelstra einmal tot war. Erkennst du solche Menschen als dein Fleisch und Blut an? Sie hatten bisher nichts mit deinem Leben zu tun!«
»Außer dass sie es mir geschenkt haben! Und die Dinge sind doch jetzt auch nicht so viel anders, oder? Ich habe die Prinzenmark, und am Ende werde ich die Wüste haben und Hoheprinz sein. Gütige Göttin, es ist alles so gekommen, als wenn mein … mein Großvater noch am Leben wäre!«
»Hör auf damit!«, befahl Rohan. »Ich habe Roelstra getötet, weil es nötig war, und nicht, weil ich seine Macht für einen von uns begehrt habe. Wenn du nach so vielen Jahren noch etwas anderes glaubst, dann bist du ein Narr! Das war alles mein Werk, Pol. Alles. Es ist meine Schuld, dass sie sich gegen mich verschworen haben, meine Schuld, dass deine Mutter gefangen genommen und im Dunkeln eingesperrt und …«
Sioned gab einen leisen, animalischen Laut von sich und hob die Hände, als wollte sie die Erinnerung an die Vergewaltigungen abwehren. In ihren Augen lag eine Dunkelheit, die sie verschlungen hätte, wären die Worte ausgesprochen worden. Rohan kniff die Lippen zusammen und grub die Finger in die Handflächen. Er sprach erst wieder, als er verhältnismäßig ruhig bleiben konnte.
»Ich habe Ianthe vergewaltigt und Roelstra getötet, und ich habe zugelassen, dass du dich für den gehalten hast, den alle in dir sahen. Du kannst mir an all diesen Dingen die Schuld geben. Aber Tobin kennt die Wahrheit deiner Geburt. Und Chay. Und Myrdal. Und Ostvel. Und Maeta kannte sie auch. Hätte die ihr Leben für dich
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