Sternenlaeufer
Ianthe, und die war in der Nacht seiner Geburt gestorben.
»Was ist los, Pol?«, fragte Sionell. Ihre Stimme klang diesmal sanfter. Sie strich sich feuchtes Haar aus dem Gesicht und machte einen Schritt auf ihn zu. Ihre blauen Augen waren von Sorge umschattet. »Wir kennen uns so lange. Du kannst mit mir reden, weißt du.«
»Wirklich?«, fragte er schneidend. »Ich kann mit dir reden, dir alles erzählen, ganz egal was, und du wirst mich dennoch lieben?« Ein Teil Boshaftigkeit in ihm wollte jemand anderen jetzt ebenso tief verletzen, wie er selbst verletzt worden war. Es war Sionells Pech, dass sie greifbar war. »Glaubst du, ich hätte das nicht all die Jahre gewusst?«
Das traf. Alle natürliche Farbe wich aus ihrem Gesicht, und auf Wangen und Stirn, wo die Hitze des Feuers auf der weißen Haut schimmerte, blieben hässliche rote Flecken zurück.
»Geh zurück zu dem Gemahl, den du erwählt hast, weil du mich nicht haben konntest«, spottete er. »Geh zurück zu ihm, und lass mich allein.«
»Du Bastard«, flüsterte sie.
Lachen kratzte in seiner Kehle. »Das ist wahrer, als Ihr wisst, Herrin! Mein Vater, der Prinz, und meine Mutter, die Prinzessin! Nur nicht die, von der es jeder glaubt!«
In ihren Augen trat Verwirrung an die Stelle der tödlichen Verletztheit.
»Ianthe!«, brüllte er. »Meine richtige Mutter war Prinzessin Ianthe!«
»Nein … Das ist nicht möglich …«
Ihr Schock bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Er würde es von nun an bei jedem erleben, jedes Mal. Sie würden wissen, wessen Sohn er war. Und wessen Enkel.
»Es ist wahr. Sie haben es mir heute Abend gesagt. Endlich haben sie mir die Wahrheit gesagt, wer ich bin!«
Sionell sammelte sich erstaunlich schnell. »Na und? Was ist mit deinen eigenen Wahrheiten? Wirst du über eine Frau definiert, die tot ist, seit …«
»Seit ich lebe, weniger einen Tag! Jetzt weißt du es. Also verschwinde!«
»Nein«, widersprach sie ruhig und trat näher ans Feuer.
»Verstehst du denn nicht? Du giltst doch als klug, oder etwa nicht? Ich bin Roelstras Enkel, genauso wie der Mann, den ich töten soll! Er ist mein Bruder!«
»Na und?«, wiederholte sie.
»Das Beste hast du noch nicht gehört! Kannst du es erraten, Sionell?«, höhnte er. »Geht deine Klugheit so weit? Weißt du etwa schon, dass ich Zaubererblut habe, genau wie mein Bruder?«
»Riyan auch. Und Lord Urival. Na und?«, schrie sie zum dritten Mal. »Macht das einen Unterschied für das, was du sein möchtest?« Mit langen Fingern strich sie erneut das schweißnasse Haar vor den blitzenden blauen Augen beiseite. »Wählst du dein eigenes Leben? Oder lässt du dich von dem einfangen, was du glaubst, dass deine Vorfahren aus dir machen?«
»Lass mich in Ruhe!«, brüllte er. »Du kannst das nicht verstehen!«
»Ich verstehe sehr gut«, antwortete sie mit einer Gelassenheit, die ihn wütend machte. »Ich habe es immer getan. Ich habe es nur nicht gewusst, bevor ich aufhörte, dich zu lieben. Erst da habe ich angefangen, dich so zu sehen, wie du wirklich bist.«
Sie hatte aufgehört, ihn zu lieben? Plötzlich fühlte er eine Leere in sich, die er nie für möglich gehalten hätte.
»Du bist arrogant und unerträglich und selbstsüchtig«, fuhr sie eiskalt fort. »Das Ergebnis von zu viel Stolz auf zu viele Gaben. Und du bist klüger, als gut für dich ist.«
»Habt Dank für diese trostreiche Liste meiner Tugenden«, schnappte er.
»Sie ist unvollständig«, schoss sie zurück. »Aber das ist jetzt nicht wichtig. Was zählt, ist, dass du andererseits stark genug bist, so zu leben, wie es deine Intelligenz und dein Herz dir vorschreiben. Nicht so, wie es deiner Meinung nach zwei tote Menschen wollten.«
»Mein ganzes Leben ist eine Lüge, Sionell! Ich bin nicht ich, ich bin …«
Ihr Temperament ging plötzlich mit ihr durch. »Du bist ein Narr! Vielleicht hast du Recht. Vielleicht reicht es tatsächlich aus, Roelstras Enkel zu sein, um alles auszulöschen, was du bist, was man dich gelehrt hat, alle Liebe und Fürsorge, die vom Tag deiner Geburt an über dich ergossen wurde! Vielleicht vergisst du all das, wenn du Ruval gegenüberstehst, und verwandelst dich in einen … Gütige Göttin, ich habe heute wirklich genug Grausamkeit erlebt! Du hast mir wirklich nichts erspart.« Sie brach ab, als ein plötzlicher Verdacht ihre Züge starr werden ließ. »Und deiner Mutter auch nicht, was? Pol, wie konntest du das tun?«
»Sie ist nicht meine Mutter!«
Sionell trat zu
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