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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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die Gäste, ohne erst darum gebeten worden zu sein. Dies war ein kleiner Trick, den Pol erdacht hatte. Er diente nicht nur zu seiner Unterhaltung. Edrel geleitete die Besucher in einen Audienzsaal und kam dann mit einer Beschreibung all jener Besucher aus der Gruppe zu Pol zurück, die ihm unbekannt waren. Es schmeichelte den Gästen, von ihrem Gastgeber auf den ersten Blick erkannt zu werden – aber es erstaunte sie auch, dass Pol immer sofort wusste, wen er vor sich hatte, ohne dass ihm irgendjemand vorgestellt werden musste. Besonders günstig wirkte sich aus, dass Edrel seine Beobachtungsgabe und sein Urteilsvermögen ständig trainierte. Es war eine Aufgabe, bei der sich der ernste kleine Knabe auszeichnen konnte.
    Prinz Cabar hatte seinen Vetter Lord Barig und zwei Rechtsexperten entsandt. Seine Lordschaft wurde als grauhaarig und untersetzt charakterisiert, sehr verschieden von der Hoheit von Gilad, im selben Alter wie Pols Vater, aber viele Winter älter aussehend. »Und ziemlich sauer, Herr. Die Rechtsgelehrten sind noch schlimmer.«
    »Das sind Rechtsgelehrte meistens.«
    »Aber Herr!« Edrel hatte in Drachenruh selber Unterricht im Recht.
    Pol knöpfte seine Hemdsärmel zu. »Ich bewundere meinen Vater von ganzem Herzen, weil er in jedem Menschen Respekt vor dem Gesetz geweckt hat – aber diejenigen, die es studieren, sind nicht auszuhalten. Ich habe also einen sterbenslangweiligen Nachmittag vor mir. Vielleicht sage ich ab und gehe stattdessen reiten. Ich würde in diesen Kleidern zu Pferde eine ziemlich komische Figur abgeben, was?« Er grinste den Knaben an.
    Edrel brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen, dass er geneckt wurde. Er reagierte mit einem vorsichtigen Lächeln. Pol schlug ihm wohlwollend auf die Schulter und musterte sich flüchtig im Spiegel, ehe er das Ankleidezimmer verließ und auf den Korridor hinaustrat.
    Edrel eilte ihm voraus, um als Erster die Tür zum Empfangsraum zu erreichen. Der Knabe rückte seine eigene Kleidung zurecht, schenkte der Aufmachung seines Prinzen einen kritischen Blick, so dass Pol grinsen musste, und nickte dem Pagen dann wichtigtuerisch zu, er solle die große, mit Bronzeintarsien versehene Doppeltür öffnen. Edrel trat als Erster hindurch, verbeugte sich leicht vor den drei Männern im Raum und verkündete: »Seine Hoheit der Prinzenmark.«
    Pol zeigte ein höfliches Lächeln, als sie die Köpfe vor ihm neigten. »Lord Barig«, sagte er, »wir hoffen, Ihr hattet eine angenehme Reise aus Medawari, und wünschen, dass es Seiner Hoheit, unserem Vetter, gut geht.«
    In dieser Form hatte er alle drei Höflinge angesprochen. Seine Lordschaft verneigte sich erneut und murmelte Bestätigungen. Die gesellschaftlich unbedeutenden Rechtsgelehrten stellte er Pol jetzt noch nicht vor. Pol deutete auf Stühle, und sie nahmen Platz. Edrel blieb an der Tür stehen und wartete auf einen Befehl, was für Erfrischungen er bringen sollte. Pol gab ihn nicht. Dies war eine offizielle Audienz, keine private Plauderei.
    Lord Barig brauchte eine Weile, um zum Thema zu kommen. Die Standardthemen erinnerten Pol an Strophen eines altbekannten Liedes. Ewig dieselbe Leier: zuerst die höflichen Fragen nach der Gesundheit seiner Eltern, dann die Komplimente über die Schönheit von Drachenruh, schließlich Bemerkungen über das Wetter, die diesmal nur deswegen ungewöhnlich waren, weil die winterlichen Regenfälle den Kontinent halb ertränkt hatten. Zu einer Abweichung vom Altbekannten kam es nur, als Lord Barig erwähnte, dass er auf seiner Reise Swalekeep besucht habe. Schließlich wurden die üblichen Wünsche für ein frohes und ertragreiches Rialla zum Ausdruck gebracht. Nachdem das alles gesagt war, fragte sich Pol, wie Lord Barig denn nun auf die Lichtläufer zu sprechen kommen wollte.
    Dem gelang es mit einer geschickten Rückkehr zum Thema Wetter. Er trug wirklich eine erbitterte Miene zur Schau und war grau vom Haar über den Augen bis zu seiner Tunika aus Ziegenwolle, aber Pol sagte sich, dass er dennoch sehr spitzfindig sein konnte.
    »Ich hoffe, dass die lange Regenzeit die Faradhi- Kommunikation nicht zu sehr beeinträchtigt hat, Hoheit. Es muss für die Lichtläufer sehr deprimierend sein, wie wir anderen vom Wetter gefangen gehalten zu werden.«
    »Wolken sind die natürlichen Feinde eines jeden Faradhi «, entgegnete Pol. »Aber wir kommen zurecht.«
    »Dann werden Hoheit bereits von gewissen unschönen Vorfällen in Gilad in Kenntnis gesetzt worden sein.

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