Sternenlaeufer
Besonders von der Verwicklung eines Lichtläufers in den Tod eines unserer geachtetsten Bürger.«
»Ja. Wir haben davon gehört.« In der Tat hatte er eine ganze Menge davon gehört. Thacri, ein Meisterweber, der nahe Giladan in Medawari lebte, hatte sich am Ende des Winters ein ernstes Fieber zugezogen. Faradh’im hatten Kenntnisse in der Medizin, wenngleich nicht so umfangreiche wie ausgebildete Ärzte; waren diese jedoch abwesend, boten Lichtläufer ihre Dienste an. Trotz der Bemühungen einer jungen Faradhi, die die Gegend bereiste, war der Mann in der ersten Nacht der zehntägigen Neujahrsfeierlichkeiten verstorben. Später stellte sich heraus, dass eines der Medikamente gegen das Fieber falsch gemischt worden war. Und darin lag die Schwierigkeit.
Lord Barig trug den Fall vor. »Seine Hoheit von Gilad steht auf dem Standpunkt, dass diese Lichtläuferin ihre Fähigkeiten als Ärztin unheilvoll überschätzt hat und somit für den Tod von Meister Thacri verantwortlich ist.«
Einer der Gelehrten, der so braun in Farben, Kleidung und allem war wie Barig grau, knackte mit seinen schwachen Gelenken und erklärte: »Hoheit, es ist nur den Bemühungen meiner Wenigkeit und meinem Kollegen hier zu verdanken, dass die Witwe davon abgehalten werden konnte, die Lichtläuferin des Mordes anzuklagen.«
»Wir verstehen«, murmelte Pol, doch er war insgeheim schockiert. Auf Mord stand die Todesstrafe; selbst wenn die Lichtläuferin für ihren Fehler zahlen musste, so sollte das doch nicht mit ihrem Leben sein. Wäre sie überhaupt etwas anderes als eine Lichtläuferin gewesen, dann hätte er allerdings diesem allen hier überhaupt nicht zugehört.
Barig fuhr fort: »Die Anklage lautet jetzt auf eine Anmaßung von Fähigkeiten, die schließlich zu Meister Thacris Tod geführt hat. Darauf steht in Gilad eine Geldstrafe, deren Höhe von Seiner Hoheit festgesetzt wird. Zu diesem Zwecke wird errechnet, was das Opfer im Laufe der ihm normalerweise wohl noch verbliebenen Lebensjahre wohl verdient hätte. Meister Thacri«, fügte er hinzu, »hinterlässt ein Weib und viele Nachkommen.«
Pol hatte den dringenden Verdacht, dass Meister Thacri wahrscheinlich außergewöhnlich viele Jahre seines Lebens verloren hatte und dass sich die Zahl seiner Nachkommen in der Hoffnung, so noch mehr Geld herauszuschinden, mindestens verdoppelt hatte. Doch die eigentliche Schwierigkeit war noch gar nicht genannt worden. Da er es müde war, sich im Kreis zu drehen, brachte Pol selbst die Sprache darauf.
»Die Lichtläuferin besitzt natürlich nichts. Alles, was sie einst besaß, befindet sich nun im Besitz der Schule der Göttin.«
»Es freut mich zu sehen, dass Hoheit mit den Gegebenheiten vertraut sind.« Lord Barig neigte seinen Kopf. »Die fragliche Lichtläuferin wurde 717 in die Schule der Göttin aufgenommen. Damals war die Praxis mit der Mitgift noch nicht von Lord Andry abgesetzt worden.«
Dann soll also Andry dafür gerade stehen, dachte Pol. Cabar wurde zweifellos von Velden und Miyon unterstützt, und er würde eine horrende Summe fordern, die Andry anstandshalber wohl zahlen musste. Und das würde ihm überhaupt nicht gefallen.
Aus Lord Barigs nächsten Worten ging jedoch hervor, dass Andry nicht die Absicht hatte, auch nur ein einziges Goldstück zu zahlen.
»Natürlich wurde der Fall Lord Andry vorgetragen. Er hat erwidert, Hoheit, dass das Fehlverhalten eines Lichtläufers eine Angelegenheit sei, mit der sich Lichtläufer auseinanderzusetzen haben, nicht Prinzen, Lords oder irgendjemand sonst.«
Diesmal gelang es Pol nicht, aus seinem Gesicht oder seiner Stimme herauszuhalten, was er dachte. »Er hat was?«
Barig und seine Rechtsgelehrten sahen für den Bruchteil eines Augenblicks ausgesprochen zufrieden mit sich aus, ehe sie wieder die maskenhaften Mienen von Höflingen zeigten. Der zweite Rechtsgelehrte ergriff jetzt das Wort.
»Zu meinem größten Bedauern muss ich Hoheit davon in Kenntnis setzen, dass der Herr der Schule der Göttin scheinbar der Ansicht ist, dass es ein Gesetz für die Lichtläufer und ein anderes für die übrige Bevölkerung gebe. Es bleibt nur zu hoffen, dass Hoheit und der Vater, Eurer Hoheit, der Hoheprinz, ihn eines Besseren belehren können.«
»Lasst mich das noch einmal deutlich wiederholen.« In seiner Sorge vergaß Pol die üblichen Floskeln. »Die Lichtläuferin hat einen Fehler begangen, und ein Mann ist gestorben. Jetzt besteht Uneinigkeit darüber, wer für die Bestrafung zuständig
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