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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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gehörtes Insektensummen oder das kaum spürbare Zucken eines Muskels. Wenn er nicht aufgrund der Merkmale einer Region oder familiärer Eigenschaften identifiziert werden konnte, dann vielleicht …
    Nein. Er kannte die Verwandtschaftsverhältnisse, legitime und andere, jeder einzelnen edlen Familie in den dreizehn Prinzentümern. Zu seiner Ausbildung in Graypearl hatte auch die Genealogie gehört, und Audrite hatte ihn darin gedrillt. Dass dieser Mann keine spezifischen Zeichen aufwies, die auf seinen Ursprung hindeuteten, bedeutete auch nicht, dass er ein Edler war.
    Und doch ging von diesem Gesicht etwas quälend Vertrautes aus. Er freute sich schon darauf, es persönlich zu sehen – und es würde ihm großes Vergnügen bereiten, es mit seinen Fäusten zu verändern.
    Als ihm bewusst wurde, dass die anderen bemüht waren, ihn wegen seines langen Schweigens nicht anzustarren, erhob er sich und sagte: »Nun gut. Nun, da ich weiß, nach wem ich Ausschau halten muss …«
    Er brach ab. Plötzlich wusste er, warum er vor wenigen Augenblicken so nervös gewesen war. Er rannte zu den sonnenhellen Fenstern. Sorin folgte ihm dicht auf den Fersen, denn auch er hatte es gefühlt. Es hieß, in ihrem Großvater hätte dieses besondere Talent gebrannt. Pol hatte erst später entsprechende Wahrnehmungen gehabt, aber endlich war diese sonderbarste aller Familieneigenschaften von allen Prinzentümern auch in ihm erwacht. Der Beweis dafür, dass er sie besaß, flog über den turmhohen Bäumen vorbei: ein Drache.
    Er packte seinen Vetter am Arm und fühlte, dass Sorins Muskeln wie seine eigenen vor Ehrfurcht und Freude über den Drachen zuckten. Wie oft er diese großen Tiere auch sah, der Kitzel seiner Nerven, der ihre Ankunft ankündigte, und die Freude, sie im Flug zu sehen, trafen ihn jedes Mal bis ins Mark. Dies hier war ein schönes, voll ausgewachsenes Weibchen, grün-bronze gefärbt, mit schwarzen Unterflügeln. Vielleicht eine halbe Länge von ihnen entfernt flog sie eine faule Reihe von Spiralen, als wüsste sie, dass sie beobachtet wurde, und als wollte sie mit ihrer Schönheit und ihrem Können angeben. Sie glitt auf dem Wind dahin wie ein Segler, stieg aufwärts und abwärts und schlug dann mit den Flügeln, um erneut zu steigen. Am oder um den vierzigsten Tag des Frühjahrs herum würde sie mit ihresgleichen in die Wüste fliegen, sich dort ihren Partner wählen und ihre Eier in Höhlen einmauern, wo sie den langen Sommer hindurch in der Hitze schmoren würden. Ungefähr fünfzehn ihrer Jungen würden in der Höhle sterben, weil sie zu schwach sein würden, sich aus der Schale zu kämpfen, die Mauer einzureißen oder zu verhindern, dass sie das erste Mahl eines Jungdrachen wurden. Vielleicht drei würden überleben und fliegen – eine weit größere Zahl als in alten Zeiten, als Menschen die überlebenden Jungdrachen abgeschlachtet hatten, sobald sie ans Licht der Sonne kamen. Rohan hatte die Jungtierjagd schon vor langer Zeit als gesetzwidrig erklärt. Solange Pol lebte, war das Töten eines Drachen verboten gewesen.
    Aber irgendjemand versuchte, auch diesen hier zu töten. Das Tier stockte mitten im Flügelschlag, und sein Schrei, eine Mischung aus Wut und Entsetzen, donnerte durch die Berge. Der Kopf fuhr in den Nacken zurück, und der Schwanz schlug in verzweifelter Schnelligkeit von einer Seite auf die andere. Das Drachenweibchen verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden wie ein Stein.
    Ruala fand als Erste ihre Stimme wieder. »Er wird sie umbringen, wenn wir uns nicht beeilen!«
    Riyans Kopf fuhr herum. »Wie kommt Ihr eigentlich darauf, Ihr würdet mitkommen?«
    Sie öffnete den Mund zu einem Protest, als die drei jungen Lords und Rialt zur Tür eilten, wobei Pol nach Edrel rief. Ihr Großvater packte ihre Schultern mit seinen beiden kräftigen Händen, um sie daran zu hindern, ihnen zu folgen. Sie drehte sich um und funkelte ihn wütend an.
    »Wag es ja nicht«, befahl er.
    Ruala schüttelte ihn ab. Sie trat an die Fenster, von denen aus man den Hof überblicken konnte, auf dem sich nahezu alle Bediensteten von Elktrap versammelt hatten, um frische Pferde zu satteln und aufzuzäumen. Pol saß als Erster im Sattel, dann Riyan und Sorin und schließlich Rialt. Mit lautem Hufgetrappel galoppierten sie durch die Tore, hinter ihnen Pols Knappe und die drei Wächter.
    »Und doch werde ich bald mit ihnen ziehen, Großvater«, meinte sie nachdenklich. »Schließlich wird einer von diesen jungen Männern mein

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