Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
Vom Netzwerk:
die Sonne und entschied, dass ihm noch Zeit für einen Kelch Wein blieb, ehe er Mireva in ihrem Quartier im ärmsten Viertel der Stadt traf. Er suchte sich eine Taverne und setzte sich mit einem großen Glasbehälter voll von süßem starkem Wein in eine Ecke. Er hing seinen Gedanken nach, ohne auf seine Umgebung zu achten. Eine seiner wenigen wirklich klaren Kindheitserinnerungen, abgesehen von den Bildern der Horrornacht, in der Feruche abgebrannt war, war die an Gold. Ianthe hatte ihn eines Nachts in den tiefsten Keller der Burg mitgenommen, um ihm ihren Reichtum zu zeigen: eckige, handtellergroße Goldbarren stapelten sich in einem verschlossenen Raum auf zahlreichen Regalen. Er erinnerte sich, dass er einen davon mit nahezu abergläubischer Ehrfurcht berührt hatte, und dann so viele wie er konnte in die Hand genommen hatte, um ihr Gewicht zu fühlen. Schließlich hatte er sie in die Luft geworfen und einen funkelnden Regen im Fackellicht erzeugt. Er konnte noch immer das entzückte Lachen seiner Mutter hören.
    Aber hätten es nicht eigentlich geprägte Münzen in Säcken sein sollen und nicht Barren?
    Mit gerunzelter Stirn starrte er in den goldbraunen Wein. Am Boden hatte sich Satz abgelagert, so dass die Flüssigkeit fast klar war. Ein kurzer Blick verriet ihm, dass sich die wenigen anderen Gäste überhaupt nicht um ihn kümmerten. Er versponn die geistigen Fäden und tauchte seine Gedanken in den Wein, wobei er seine Hände um das Glas legte.
    Niemals betrachtete er sie, ohne stolz zu sein, dass diese prachtvolle Frau seine Mutter war. Er hatte nicht verstanden, warum ihr Körper so dick wurde, aber das zusätzliche Fleisch schmälerte ihre Schönheit ebenso wenig wie die Dunkelheit der Treppe. Er klammerte sich an ihre Hand, während sie hinabstiegen, und sein Atem kratzte in seinem Hals wegen der Feuchtigkeit und Kälte und der Aufregung darüber, ein Geheimnis zu erfahren. Als sie die Tür zu dem Lagerraum aufsperrte, zuckte er zurück, weil das Fackellicht Gold zum Glänzen brachte. Sein Schein war heller als die Wüstensonne. Er schaute staunend in ihr Gesicht empor, und sie lachte, steckte die Fackel in eine Halterung und breitete die Arme aus, als wollte sie den Reichtum umarmen, der sich fein säuberlich auf den Regalen stapelte.
    Das Gold war echt: Er berührte es, nahm Hände voll davon auf und warf es zur Decke empor, und beobachtete, wie es glitzernd nach unten fiel. Und auch er lachte. Er hob einen Ledersack von einem Stapel neben der Tür und tat so, als wolle er den Schatz rauben. Seine Mutter lachte und erzählte ihm, er müsse es nicht stehlen, es gehöre alles ihm, wie auch die Wüste und die Prinzenmark ihm gehören würden.
    Ruval holte tief Luft und schaute auf. Niemand würdigte ihn eines Blickes. Er goss sich den Wein in die Kehle und ließ eine Münze als Bezahlung im Glas zurück.
    Nach einem langen, ziellosen Spaziergang durch die Straßen, auf dem er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, ließ er die Erinnerung an das zu, was er gesehen hatte. Ganz am Rande war er sich bewusst, dass die Frage, womit der Neubau von Feruche finanziert worden war, bereits beantwortet war. Sorin hatte wahrscheinlich den Schatz in den Ruinen entdeckt. Er wusste auch, dass die Unförmigkeit seiner Mutter bedeutet hatte, dass sie mit ihrem letzten Kind schwanger war, mit Rohans Sohn, der in jener schrecklichen Nacht mit ihr gestorben war. Aber nun war da noch etwas anderes, etwas, das er als kleiner Knabe gesehen, aber nicht verstanden hatte.
    Die Barren waren in Ledersäcken nach Feruche gebracht worden, die sauber gefaltet zurückgeblieben waren, falls sie später noch einmal benötigt werden sollten. Es war vom Gesetz vorgeschrieben, dass auf Rohstoffen wie auch auf Fertigwaren der Ursprungsort angegeben werden musste. Die Handwerker hatten ihre verschiedenen Stempel, Grafschaften und Prinzentümer hatten ihre Farben oder Zeichen. Vieh und Ziegen wurden mit einem Brandzeichen versehen; Töpferwaren, Möbel, Eisenwaren und andere Gegenstände wurden gestempelt. Nahrungsmittel wurden auf der Verpackung gekennzeichnet, Wein auf den Flaschen. Die Goldbarren in Feruche waren keine Ausnahme gewesen: Auf den Säcken war das Bild von Skybowl gewesen.
    Aber es wurde nur Silber aus dem Boden rund um Skybowl gewonnen. Ruval ging weiter. Er war so in Gedanken versunken, dass er etliche ehrliche Bürger verärgerte, als er sich an ihnen vorüber in den von Menschen überfüllten Wohnbezirk Castle Pine

Weitere Kostenlose Bücher