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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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noch eine halbe Minute lang unter leisem Gefluche, um das verbleibende Trägheitsmoment zu überwinden. Die Wolchak wackelte im Hangar hin und her wie eine Bleikugel in einem winzigen und zerbrechlichen Tannenbaumschmuck. Jeder Schlag gegen die Wand hätte der Station enormen Schaden zufügen können, aber Danilow blieb keine andere Möglichkeit. Schließlich verharrte die Fähre reglos, genauer gesagt, sie begann, langsam an der Wand des zylindrischen Hangars hinunterzugleiten, angezogen von der kaum wahrnehmbaren Zentrifugalkraft. Lautlos schloss sich die Luke des Hangars, verbarg uns vor den neugierigen Radaren anderer Stationen der Wesi.
    Damit waren wir also am Ziel. Zwei Schiffe, zwei Helden, zwei Gefangene. Apathie bemächtigte sich meiner, und ich schloss die Augen. Es reichte. Man kann nicht endlos weiterkämpfen. Ich hatte eine Chance gehabt, vorhin, unterwegs, als der Cualcua so eilfertig seinen Fühler ausgefahren hatte. Ich hatte sie nicht genutzt, hatte das Angebot meines Symbionten einfach nicht akzeptieren können. Und das hieß: Der Kampf war vorbei.
     
    Verzeiht, Alari.
    Verzeih, Erde.
     
    Ich hätte nie gedacht, dass unsere engen Stationen Räume aufweisen, die nicht unbedingt nötig sind. Beispielsweise ein Gefängnis. Oder hieß das hier anders? Karzer vielleicht? Hauptwache? Isolator? Keine Ahnung. Eins aber zumindest stand fest: Bei den Alari war es bequemer gewesen.
    Die Zelle war winzig, höchstens so groß wie das Klo auf einer Datscha. In einer Ecke befand sich tatsächlich ein winziges Klosett, über ihm hatte der Konstrukteur mit kindlicher Unverblümtheit einen Thermocontainer zum Aufwärmen der Nahrung angebracht. Außerdem gab es noch einen Fernsehschirm. Erstaunt überzeugte ich mich davon, dass er funktionierte, aber nur ein paar russische TV-Kanäle anbot. Ach ja, diese Sorge um das kulturelle Wohl der Eingesperrten … Bei den Leuten an Bord kam bestimmt keine Langeweile auf – bei einem solchen Angebot an Seifenopern und idiotischen Shows.
    Als der Reptiloid und ich durch die Station geführt wurden, brummte es in ihr wie in einem Bienenstock in Aufruhr. Durch die schmalen Gänge eilten Schwarzhelme, die russischen Infanteristen im All. Der Militärtrakt, an dem wir vorbeikamen, war verriegelt und verschlossen. Es musste höchste Alarmbereitschaft befohlen worden sein, und am Raketenpult saßen jetzt die Schützen.
    Das gab mir zu denken. Sehr sogar. Das Land schüttelte das graue Haar, ließ die schlaffen Muskeln spielen und hatte beschlossen, die fremde Technologie nicht wieder herzugeben. Dann wollen wir doch mal sehen, was nun kommt. Immer hübsch abwarten, Tee trinken, auf Fragen antworten und alle Sünden bereuen …
    Ich zwirbelte die schmale Hängematte auf und legte mich hinein. Die Pseudoschwerkraft war hier ganz schwach, ich wog etwa so viel wie eine junge Katze. An der Decke schimmerte eine gelbe Glühbirne, die Station vibrierte jedes Mal, wenn ein Manöver durchgeführt wurde. Waren unsere amerikanischen Freunde etwa nicht auf den Trick reingefallen und lasen unserem Präsidenten die Leviten?
    Aber hatte unser Präsident eigentlich das Recht, den Reptiloiden und mich der ganzen Menschheit auszuliefern? Hier lief eine Operation des Geheimdiensts. Und der würde sich garantiert nicht ins Handwerk pfuschen lassen. Schipunows Macht war gegenwärtig nicht so stabil wie in den ersten Jahren nach dem Umsturz …
    Mir kamen träge, ekelhafte Gedanken. Als hätte ich in Rekordzeit ein ermüdendes Hindernisrennen hinter mich gebracht – und man würde mich jetzt noch bitten, durch einen Sumpf zu schwimmen. Wie einfach alles auf Der Heimat und bei den Alari gewesen war. Schwer und einfach. Hier dagegen gab es, wie gehabt, nur sinnloses Herumgerenne und kleinliche Intrigen …
    Ich streckte ein Bein aus und drückte auf den Schalter des Fernsehers. Es war nun einmal ein Vorteil eines winziges Raums, alles per Hand – oder Fuß – erreichen zu können.
    Etwas Dümmeres hätte ich mir nicht einfallen lassen können. Der erste Kanal brachte einen Musikwettbewerb. Die Sängerin, die unbeholfen über die Bühne wackelte, konnte absolut nicht singen. Besser sie ließe die Finger davon, würde sich an den Herd stellen oder für Badeanzüge Reklame machen. Aber das kümmerte natürlich niemanden. Die Fans vor der Bühne, männliche wie weibliche, johlten, die Kollegen des Sternchens in der Jury lächelten glückselig, obwohl ein Teil von ihnen sogar Ohr und Stimme besaß. Den

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