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Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Titel: Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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einer Person zu sprechen.«
    »Das klingt schrecklich«, sagte Lilly. Gefangen im eigenen Körper, vielleicht ohne Einfluss darauf nehmen zu können, was mit ihr geschah.
    Er legte seine Hand auf ihre, woraufhin ihre Haut erneut zu prickeln begann. »Das ist es nicht. Du weißt jede Sekunde, dass die Sterne über dich wachen, hörst ihren Gesang. Fürchte dich nicht.«
    Das war leichter gesagt als getan. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte nicht wieder von etwas Fremdem übernommen werden, die Kontrolle über sich verlieren.
    Mikael sah nach draußen. Das erste Grau zeichnete sich am Horizont ab, die Umrisse der Bäume davor waren schemenhaft zu erkennen. »Ich muss gehen. Ich wünschte, es wäre anders, aber meine Fähigkeiten am Tag sind nicht gut genug, um mich vor deiner Mutter zu verbergen, und ich kann ihr meine Anwesenheit in deinem Schlafzimmer wohl kaum erklären. Aber ich bleibe in der Nähe und komme am Abend sofort wieder. Versprochen.« Er sah sie sorgenvoll an.
    »Es wird schon alles gut gehen«, sagte sie mit mehr Zuversicht, als sie verspürte.
    Sie standen auf, und plötzlich wünschte Lilly sich, er würde bleiben. Bei ihr sein, wenn sich ihr Verstand umnachtete. Sie hob eine zitternde Hand, um die Balkontür zu öffnen, da fluchte er unterdrückt und zog sie in seine Arme. »Hab keine Angst«, murmelte er in ihr Haar. »Dir wird nichts geschehen.«
    Seine Berührung war wie ein elektrischer Schock, der sie durchfuhr und ihre Nervenenden zum Vibrieren brachte. Sie schloss die Augen, um das Gefühl der Geborgenheit zu genießen, das sie in ungeahnter Intensität empfand. An seiner Brust fand sie die Kraft, um die nächsten Stunden zu überstehen. War es das, was einen Zwillingsstern ausmachte? Dass man Stärke aus der Gegenwart des anderen zog?
    Sie lösten sich voneinander, und da war sie wieder, die Befangenheit. Verlegen senkte sie den Kopf, dachte an Raphael, und Schuldgefühle durchzuckten sie wie Blitze, die den Nachthimmel spalteten.
    Er strich ihr sanft über die Wange, dann war er fort.

38
    † I hrer Mutter glaubhaft zu machen, dass sie krank war, erwies sich als einfach. Mit ein wenig weißem Make-up und dunklem Lidschatten unter den Augen sah sie tatsächlich krank aus. Zudem trug sie einen langärmligen Schlafanzug, der das Schimmern des Sternenstaubs, der im Haus ohnehin kaum zu sehen war, überdeckte. Sosehr sich ihr Verhältnis auch verschlechtert hatte, vertraute sie ihr noch genug, um sie ohne Diskussion wieder ins Bett zu lassen. Nur dass es Lilly dadurch noch elender zumute war. Wie sie die ständigen Lügen hasste!
    Sie legte sich aufs Bett, wandte den Kopf so, dass sie den heller werdenden Himmel vor Augen hatte, und wartete angespannt auf den Tagesanbruch. Ihre Gedanken wanderten zu Raphael und Mikael, ihren zwiespältigen Gefühlen. Sie erinnerte sich an die Legende von Tristan und Isolde. Die beiden kosteten von einem Liebestrank und waren von da an einander verfallen. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihnen, am Ende starben beide. Würde es ihr ebenfalls so ergehen? Was machte wahre Liebe aus? Durfte man das, was Mikael bei ihr auslöste, überhaupt als Liebe bezeichnen? Es war nicht gewachsen, beruhte nicht auf gemeinsamen Erlebnissen, Interessen – es war nur plötzlich da gewesen. Oder gehörte es einfach zu ihr, nun da sie eine Sternenseele war, ebenso wie der Stern um ihre Pupillen und der Sternenstaub? Nur, warum liebte sie dann Raphael noch immer?
    Ihre Augen weiteten sich, als zwischen den Baumwipfeln das erste Glitzern der Morgensonne hervorblitzte. Nur noch wenige Sekunden. Ihr Herz klopfte mit aller Macht gegen den Brustkorb, als wollte es sich aus seinem Gefängnis befreien und so seinem Schicksal entrinnen. »O bitte, nein«, flüsterte Lilly. Eine Träne rann in güldenes Licht getaucht über ihre Wange, und als sie die Sonne erblickte, umhüllte sie mit einem Mal tiefste Schwärze. Sie wollte einen Arm heben, um nach ihrem Bett zu tasten, doch da war nichts. Noch schlimmer, sie fühlte ihren Körper nicht mehr. Es war, als schwebte sie körperlos im Nichts. Sie wollte schreien, doch da war kein Mund, der sich öffnete, da waren keine Stimmbänder, die einen Laut hervorbrachten, und keine Ohren, die etwas hörten. Wie hatte Mikael sie nur so anlügen können? Wie konnte er es wagen, das nicht als schrecklich zu bezeichnen? Oder war das nicht so vorgesehen? Hatte vielleicht ein Teil der Sternenbestie, von der Ansgar sie befreit hatte, in

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