Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit
diese zu den betreffenden Leuten.
Kadura blickte in Nezras verwelktes Gesicht und las dort – nichts. Noch nie war sie fähig gewesen, dort irgend etwas zu lesen außer des vergänglichen Ausdrucks des Augenblicks. »Ist etwas geschehen?« fragte sie.
Nezras Haar war blond und seidig, leuchtend, was nicht zu ihren welken Wangen paßte. Unbewußt berührte sie mit der krallenförmigen Hand. »Da ist etwas«, sagte sie und blickte gleichgültig auf Kadura hinunter.
»Also was ist es, Nezra?« Eine Botschaft von Tiahna? Ei Nachricht vom Rat der Härtung? Es dauerte noch viel Hände, bevor die Ratsversammlung fällig war, aber wenn etwas Unvorhergesehenes gäbe ...
Bedächtig wandte sich Nezra um. »Jemand kommt«, sagte sie und verließ das Gedächtnishaus.
Kaduras Hände lösten sich von ihrem Bettzeug. Sollte sie ihr nachgehen und von ihr zu wissen verlangen, wer dort kam? Doch Nezra würde es ihr nicht sagen. Die Gleichgültigkeit ihres Blickes hatte ihr das verraten. Zeit und Umstände hatten eine einzigartige Verdrehtheit in Nezra erzeugt. Manchmal brachte sie ihre Botschaften in guter Kameradschaft, manchmal gleichgültig, manchmal arglistig. Welche Laune sie auch immer hatte, sie äußerte sie, wie es Ihr gefiel.
Heute hatte es ihr gefallen, einfach zu sagen: »Jemand kommt.«
Kadura stand steif auf und entfaltete ihr Bettzeug. Sie war beunruhigt, als sie an ihre morgendlichen Hausarbeiten ging; sie fühlte warnende Stiche im Herzen und eine Kälte, die ihr bis in die Fingerspitzen strahlte.
Khira und der Junge ritten an diesem Tag mit einer Gruppe Wächterinnentöchter zu den Berggipfeln. Sie kehrten am späten Nachmittag zurück, und Kadura sah sofort, daß der Junge blutete. Sie erhob sich von der Feuergrube, um ihn zu führen, aber Khira ging selbst zu den Medizintöpfen und holte Verbände für sein verletztes Bein.
Da siehst du, was geschieht, wenn ich versuche, mir Freunde zu machen!
herrschte Dunkeljunge Kadura an, als Khira seine Kratzer und Schnitte säuberte und einen Verband mit Heilkräutern auflegte.
Ich ließ den Lenkenden die Zinnen hinaufklettern, und er fiel hin und ließ mich mit dem Schmerz zurück. Ich mußte den ganzen Weg damit reiten.
»War es ein böser Fall?«
Khira, die den Kräuterverband vorbereitete, runzelte die Stirn. »Er hätte sich überhaupt nicht verletzt, wenn er sich entspannt hätte, als er fiel. Aber er versteifte sich.«
»Und du warst danach freundlich, gerade wie du zuvor geduldig warst«, sagte Kadura. »Du
bist
stark.«
»Der Lenkende wußte einfach nicht, wie man fällt.« Kadura nickte befriedigt zu Khiras spontaner Anerkennung und Dunkeljunges gutmütigem Verweis.
Es herrschte Dämmerung, als sie ihr Abendessen beendeten. »Willst du heute nacht zum Unterricht kommen?« fragte Kadura.
Wie gewöhnlich wechselte der Junge einen raschen Blick mit Khira, und Khira antwortete: »Wir werden kommen. Sie würde einschlafen, wie Kadura wußte, und der Junge würde steif dasitzen und zwar zuschauen, aber zu ängstlich sein, um teilzunehmen.
Mochte es so sein. Sie erreichten den Unterrichtsplatz, als Nindra aufging und sich die ersten Rotmähnen versammelten. Obgleich der Sommer gekommen war und Gräser hoch auf der Ebene standen, war der Nachtwind noch kühl. Sobald sie saßen, fühlte Kadura eine unbestimmte Vorahnung. Die Mähnen waren unruhig und verbreiteten untereinander die gleiche Neuigkeit, die Nezra zum Gedächtnishaus gebracht hatte.
Jemand kommt.
Kadura berührte den Erdboden und machte sich leer. Es war eine Frau, die da kam; und sie war keine Wächterin. Sie kam aus der Richtung der Berge; das Gesicht war in den Falten ihres Umhanges verschwunden. Sie ging langsam, tief betrübt.
Das war alles, was Kadura in den Rotmähnen fand. Das Gesicht der Frau, ihre Identität waren für sie nicht wichtig.
Die ältesten Rotmähnen näherten sich dem Wasser, um zu trinken, und blickten dann auf zu den versammelt Frauen. Die jüngeren Rotmähnen bewegten sich unruhig hinter ihnen, bereit für den Unterricht. Er begann nicht.
Meine Herde, eine Frau kommt.
Meine Fohlen, sie kommt jetzt.
Kadura starrte in die Dunkelheit und nahm eine Bewegung in dem kleinen Hain wahr, westlich vom Unterrichtsort. Die Frau, wer immer sie sein mochte, stand dort zögernd im Schatten der Bäume. Dann trat sie ins Mondlicht und Kadura erkannte sie augenblicklich.
Sie war eine Barohna, das weiße Hemd war verschmutz das dunkle Haar vom Wind zerzaust. Sie schritt mit gesenkten
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