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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ihm gekommen, als er leer dort gesessen hatte.
    Jetzt war es fort. Aber es hatte seine Fußspuren hinterlassen. Langsam, zögernd, hob der Lenkende die Augen zu Khira empor. Sie betrachtete ihn aufmerksam, als erwartete sie eine Entscheidung von ihm.
    Als ob sie erwartete, dachte er mit heftig aufsteigender Bitterkeit, daß Dunkeljunge auflebte, um der Weißmähne zu folgen. Als ob sie annähme, dies wäre der Reiz, der ihn endlich aufwecken könnte.
    Der Lenkende holte mit einem zornigen Schluchzen Luft. Sie hatte
seinen
Namen gerufen – den Namen, dem sie
ihm
gegeben hatte –, aber sie wollte, daß Dunkeljunge antwortete. Das war alles, was sie von ihm wollte. Dessen ungeachtet behandelte sie ihn zart, wie sie jeden behandeln würde, den sie aus dem Griff einer Krankheit zu retten versuchte. Es war nur Dunkeljunge, den sie von seinem besonderen Krankenbett erheben wollte.
    Der Lenkende stand steif, kämpfte gegen Zornestränen und versuchte, seinen Unterkiefer am Zittern zu hindern. »Laß mich allein«, sagte er. Seine Stimme war sehr rauh.
    Khira wich zurück. »Iahnn ...«
    »Ich habe dich nicht darum gebeten, mir zu folgen. Ich möchte nicht, daß du mir folgst. Ich möchte dich nicht wiedersehen. « Weil sie ihn nicht sehen wollte. Ungeachtet ihrer Großzügigkeit, ihrer Geduld – die waren für Dunkeljunge bestimmt, nicht für ihn.
»Ich möchte dich nicht wiedersehen!«
    Er stolperte wie wahnsinnig, als er floh, seine Beine waren verkrampft. Sie rief ihm nach, sie lief hinter ihm her, aber sie  wußte nicht die richtigen Dinge zu sagen. Als sich schließlich ihr Fuß in einer herausragenden Wurzel verfing und sie mit einem Schrei stürzte, wandte er sich nicht um.
    Er lief blind durch den Hain und über die Ebene. Es stimmte – er wollte sie nie wieder sehen. Es verletzte ihn zu stark, daß sie nicht ihn wollte; und der Gedanke schmerzte zu sehr, daß er versagen würde, wenn er zu ihr zurückginge.
    Er rannte, bis seine Lungen brannten; ein krampfartiger Schmerz in seiner Seite zwang ihn auf die Knie. Während er heftig nach Atem rang, starrte er blind auf die halbmondförmigen Einkerbungen im Boden vor ihm.
    Hufabdrücke – in seinem blinden Lauf war er der Spur der Weißmähne gefolgt. Als er wieder gehen konnte, erhob er sich und stolperte weiter, wieder wie blind, verwundert.
    Wieder folgte er der Spur der Weißmähne, ohne es zu wollen. Schweiß strömte ihm vom Gesicht, sein Herz stampfte, seine Augen weigerten sich, Bilder zu ordnen. Aber wann immer er anhielt und seine Augen sich klärten, lag die Spur der Weißmähne vor ihm im Staub. Schließlich warf er sich zitternd vor Erschöpfung zu Boden. Warum einer Weißmähne folgen? Das Tier bedeutete ihm nichts.
    Nur Dunkeljunge.
    Noch immer verfolgte er die Spur des Tieres. Endlich nahm er die Tatsache hin, daß er einer Weißmähne nachspürte – gerade wie Dunkeljunge es getan hätte.
    Und Khira folgte ihm. Er erblickte sie ein Dutzend Male, als er über die Ebene stolperte. Sie machte keinen Versuch, ihn einzuholen. Sie rief auch nicht. Sie trottete einfach in einiger Entfernung hinter ihm her, eine einsame Gestalt.
    So einsam wie er.
    Am späten Nachmittag war er erschöpft und hungrig. Er hielt öfter an, um Beeren zu pflücken, und einmal benutzte er die Spitze seines Spießes dazu, um genießbare Wurzeln auszugraben. Sie waren mürbe und saftig.
    Es wurde dämmrig, und bald verfolgte er die Weißmähne im Mondlicht; er schaute häufig auf, als erwartete er, das Tier vor sich zu sehen. Als der Abend fortgeschritten war, wurde die Vegetation der Ebene dichter. Dorniges Dickicht war zu sehen, und manchmal standen kleine Ansammlungen von Bäumen in der Landschaft. Der Lenkende sah gespannt geradeaus und erblickte eine größere dunkle Masse am Horizont – den Wald. Sein Herz hämmerte ihm in Vorfreude gegen die Rippen. Er eilte weiter; die Steifheit war aus seinen Gliedern verschwunden.
    Wie im Hain, standen auch die Bäume des Waldes weit auseinander; der Boden unter den Füßen des Lenkenden war von Schatten gestreift. Hier hatte es vor kurzem geregnet, und der Erdboden war weich und feucht. Ein würziger Geruch hing in den Bäumen; ein Waldduft, der Mysterien zu versprechen schien. Der Lenkende ging, den Spieß fest gepackt, wachsam auf den Fußballen zwischen den hohen Bäumen hindurch. Er bemerkte kaum, daß Khira jetzt nur noch wenige Schritte hinter ihm folgte, so wachsam war er. Irgend etwas war hier, etwas in den Bäumen ... Er

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