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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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...
    »Dunkeljunge!« Als der Strahl sie freigab und die Luke sich öffnete, hob Khira ihren Spieß.
    »Nein!« schrie der Lenkende, erschrocken über die unbedingte Verteidigungsbereitschaft in ihren Augen. »Sie haben Waffen. Khira – sie haben Flammenwerfer.« Er erinnerte sich jetzt. Er hatte gesehen, wie die Benderzic nur zum Spaß Feuer gegen die feuchte Vegetation der letzten Welt gerichtet hatten, von der sie ihn entführt hatten. Er erinnerte sich daran, wie sich die feuchten Blätter zusammengerollt hatten und schwarz geworden waren; wie moosbewachsene Bäume in Wolken dämpfenden Qualmes erblüht waren.
    Er kannte bereits alles, was jetzt kam: Die Kapsel schwebte an ihrem Metallarm herunter, die Greifer nahmen ihre Funktion auf. Man forderte ihn auf, den Prozeß seiner Wiederergreifung zu unterstützen, indem er vorwärts ging und die metallischen Finger seine Kleidung packen ließ. Im Innern der Kapsel war eine Gestalt im Anzug, an der Luke eine weitere. Sie erwarteten von ihm, daß er mit ihnen zusammenarbeitete, ohne Fragen und Einwände. Der Lenkende starrte ohne Hoffnung zu Khira hin. Wenn sie zwischen den Bäumen fortschlüpfte, wenn sie die Benderzic nicht verärgerte ...
    Denn er erinnerte sich jetzt deutlicher an die Benderzic. Er erinnerte sich an vieles, was er vergessen hatte. In ihnen war Tollheit; eine lachende Tollheit. Sie verbrachten viel Zeit in Schiffsräumen und unterdrückten alles, was sie nicht gegeneinander richten konnten. Wie hätten sie in den geschlossenen Unterkünften überleben können, wenn sie Pfeile der Eifersucht und Wut dort freigesetzt hätten?
    So setzten sie sie eben an anderen Orten frei – und lachten.
    Jetzt warf die Gestalt in der Kapsel den Kopf zurück, und der Lenkende wand sich. Er hatte vergessen, wie naß die Lippen der Benderzic waren; wie feucht Benderzicaugen. Er hatte vergessen, wie niedrig die Augenbrauen über ihren Augen wuchsen. Im Mondlicht konnte er diese Einzelheiten deutlich erkennen.
    Er drehte sich um. »Khira ...« Seine Stimme stockte. Er war heute vor ihr fortgelaufen. Er hatte ihr gesagt, daß er sie nie mehr wiedersehen wollte. Aber er hatte nicht gedacht, ihr auf diese Art Lebwohl sagen zu müssen; in Gegenwart eines Benderzic, der sie beide verspottete, und Greifer, die nach ihm ausfuhren. »Khira – lauf! Sie wollen nicht dich. Lauf!«
    Sie starrte ihn an; begriff nicht gleich. Dann wurde ihr Mund schmal. »Nein.«
    »Khira ...« Er schaute panikerfüllt nach oben. Der zweite Benderzic kroch in der beschatteten Luke.
    »Dunkeljunge – wie viele sind dort? Nur zwei?«
    Jetzt war es an ihm zu starren. Ihre anfängliche Wut war klarer Überlegung gewichen. Ihre Augen waren schmal geworden – und das erschreckte ihn mehr als die Wut. »Zwei; in diesem Schiff. Aber dies ist nur die Fähre, Khira. Es sind mehr von ihnen auf dem Trägerschiff. Khira ...« Es gab noch so vieles, was er ihr sagen wollte, Dinge, die er nie auszusprechen gewagt hatte – wie morgens das Sonnenlicht auf ihrem Haar leuchtete; wie anmutig ihre Bewegungen waren; kraftvoll, und dennoch mühelos; wie liebenswürdig sie ihn behandelt hatte, selbst wenn sie in seinem Gesicht nach Dunkeljunge Ausschau gehalten hatte.
    Wie sehr wünschte er, darüber weinen zu können, daß er sie verlassen mußte – und gegen sie benutzt werden sollte!
    Ja, er würde gegen sie und gegen Kadura, gegen Tiahna, gegen alle Menschen benutzt werden, die freundlich zu ihm gewesen waren.
Wieder. 
Benutzt. Ohne Vorwarnung veränderte sich etwas in seiner Kehle, als hätte sich der Muskeltonus verändert, als hätte sich die Spannung seiner Stimmbänder verändert.
»Zwei«,
sagte er. Die Worte erschütterten ihn, weil er sie mit Dunkeljunges Stimme aussprach.
    Ihre Augen glitzerten ihm triumphierend zu. »Wenn wir sie aus dem Schiff locken könnten ...«
    Und sie mit Spießen besiegen: zwei von Hand geschleuderte Waffen gegen mit Gewehren bewaffnete Benderzic? Der Lenkende wartete darauf, bei diesem Gedanken zu vergehen.
    Er tat es nicht. Weil die Alternative nicht nur sein Tod im Helm war, eine geistige Übergabe, sondern Khiras Tod und der Tod Brakraths. Ohne zu denken, packte er ihre Hand und zerrte sie von der Lichtung, um den Greifern auszuweichen. Die Benderzic aus dem Schiff locken?
    »Sie werden nicht herauskommen«, sagte er und erinnerte sich an etwas anderes, das er über sie wußte. Die Benderzic mochten es, den Erdboden unter ihren Stiefeln zu zermalmen. Sie waren

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