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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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so wenig gesprochen heim ersten Mal, aber sie hatte das darauf zurückgeführt, daß er nach seiner langen Einsamkeit nicht mehr wußte, wie man sich unterhielt. Und jetzt kam er direkt auf sie zu; er kannte niemanden sonst im Terlath-Tal.
    Wußte er, daß Palasttöchter niemals tanzten? Natürlich sah er, wie sie gekleidet war. Sie trug noch immer das Hemd, das sie am Morgen angezogen hatte; grob gewebt und schmucklos.
    Er blieb stehen und sah ihr direkt in die Augen. Sein Gesicht war verschlossen; aber etwas, das eine Frage hätte sein können, war in seinen Augen. Wie viele Fragen würden in dieser Holzrauchnacht gestellt werden?
    Nur eine einzige. Reynas Magen verkrampfte sich. Sie war sich nicht schlüssig darüber, ob sie zustimmend nicken sollte – oder sich umdrehen und fliehen. Selbst wenn das Terlath-Tal nur auf seinem Weg lag, weshalb sollte er dann nicht mit der Palasttochter tanzen? Er hatte nicht mehr Interesse an Partnerwahl und gegenseitigen Versprechungen als sie. Aber die Trommeln dröhnten dumpf, und der Holzrauch roch lieblich, und nur zwei von all den jungen Menschen tanzten nicht. Vielleicht ...
    Er hatte seine Schritte unterbrochen. Das war das erste, was sie bemerkte. Er blieb stehen, sein Gesicht wurde starr, die Hände an seinen Seiten ballten sich langsam zu Fäusten. Nicht einmal seine Augen bewegten sich. Plötzlich waren sie auf das Zentrum der Plaza gerichtet; der Blick in ihnen war leer und nicht zu deuten.
    Allmählich wurde Reyna bewußt, daß die tanzenden Paare auf der Tanzfläche zurückgewichen waren und in dieselbe Richtung blickten. Die älteren Leute, die plaudernd am Rande der Plaza gestanden hatten, waren verstummt. Selbst der Taktschlag in der Musik hatte aufgehört, als wären die Trommler zur Zeit abgelenkt. Reyna schaute aus dem Schatten heraus verwundert zu.
    Dann sah sie es.
    Ihre Mutter schritt über die Plaza; eine hochaufgerichtete dunkle Erscheinung im Festtagsgewand; das schwarze Haar fiel ihr über die Schultern. Der Feuerschein flackerte ihr übers Gesicht und beleuchtete ihre Merkmale einer Barohna; den großen Mund, die kräftige Nase, die starken Brauen und die gebietenden Augen. Ihr gemächlicher Schritt hatte etwas Unausweichliches; ihr Gesicht ließ nicht erkennen, was sie dachte. Die Armreifen aus Sonnenstein glühten an ihren Handgelenken, als bestünden sie aus Feuer.
    Reyna fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als sie erkannte, daß ihre Mutter sich ebenso bewegte, wie Juaren sich vor wenigen Augenblicken bewegt hatte; als wäre sie allein; als sähe sie die Menschen nicht, die sich auf den Steinplatten drängten. Aber sie sah Juarens Sie starrte ihn an, und tiefvergrabene Qual spiegelte sich in ihren Augen.
    Reyna sog krampfhaft die Luft ein. Wieso schmerzte der Anblick Juarens ihre Mutter? Reyna konnte es sich nicht vorstellen. Er hatte das Terlath-Tal nie zuvor aufgesucht. Aber der Schmerz war jetzt nicht mehr zu übersehen. Er verzog Khiras Mund. Er verdüsterte ihre Augen. Er prägte die Haltung ihrer Schultern und die Linie ihres Kinns, als sie jetzt vor Juaren stand und ihm die Hände entgegenstreckte.
    Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück; seine Lippen wurden weiß, und er rang um Worte. Er brauchte eine Weile, ehe ihm seine Stimme gehorchte.
    »Du bist - du bist Khira Terlath«, sagte er heiser.
    Khiras Stimme kam klar. »Ich bin Khira Terlath, und ich werde mit dir tanzen.«
    Die Worte hallten von den Wänden wider, und aus Juarens Gesicht wich die Farbe. Seine Haltung versteifte sich; sein Blick wurde starr. Er rang um Worte - Worte, die er nicht fand
    »Ich werde mit dir tanzen«, wiederholte Khira und streckte die Hände aus.
    Reyna sog verblüfft die Luft ein; sie sträubte sich, zu glauben, was sie sah und hörte. Khira hatte Juaren zum Tanz aufgefordert, und er konnte nicht ablehnen. Kein Mann schlug einer Barohna etwas ab. Nicht, weil man ihre Macht fürchtete
    obwohl ihr die letzte Entscheidung in den meisten Angelegenheiten zustand. Auch nicht, weil man sie selbst fürchtete
    obwohl sie mit Hilfe ihrer glühenden Armreifen jedermann zu Asche hätte verbrennen können. Sondern, weil es eine Ehre für einen Mann war, wenn sie ihn zum Tanzen aufforderte.
    Sie ehrte ihn öffentlich; sie bot ihm die Gastfreundschaft ihrer Gemächer an; bot ihm die Ehre, ihr Gefährte zu werden, wenn auch nur für kurze Zeit; bot ihm an, ihre nächste Tochter zu zeugen.
    Aber Khira hatte eine Tochter; eine Tochter, die zu Eis erstarrt am Rand

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