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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Fuhrleute, die uns vor zwei Jahrzehnten aufgezwungen worden ist, verkörpert nicht den Traum der Menschheit.
    Wie urteilen wir über eine Menschenfamilie, die hilflose Kinder aufnimmt, um sie zu erziehen, sich dabei jedoch ausschließlich von ihren eigenen Bedürfnissen leiten lässt? Wie stehen wir zu Menschen, die einen physisch kräftigen Jungen zu einem Holzfäller heranziehen, einen wendigen und schlanken zum Schornsteinfeger -ohne ihm dabei eine Chance zu lassen, seinen eigenen Weg im Leben zu wählen? Flexibilität und Universalität bildeten stets die Grundlage der menschlichen Zivilisation, und dies nicht allein auf gesellschaftlicher Ebene, sondern auch auf individueller. Nun jedoch finden wir uns ins Prokrustesbett eingepasst. Noch leben Menschen, welche sich diese oktroyierte Zukunft wahrlich nicht erträumt haben. Doch binnen ein, zwei Generationen schon wird der Prozess irreversibel sein. Dann wird in der Psyche der Menschen auf lange Sicht – wenn nicht gar für immer – die ihnen von den Starken Rassen vorgeschriebene Rolle fest verankert sein …«
    Ich schlug das Buch zu und legte es beiseite. Ich lauschte. Richtig! Im ersten Stock waren Geräusche zu hören. Mein Großvater war aufgewacht.
    Er liebte es, mit Vergleichen zu arbeiten. Dabei hatte er mir immer gepredigt: »Traue Vergleichen nicht! Traue den verlogenen Analogien nicht! Sie geben dir einzig über die Persönlichkeit des Autors Auskunft, niemals jedoch über den Kern der Sache!« Er selbst mied sie allerdings nicht. Zumindest nicht in populären Werken wie dem Platz unter den Sternen.
    »Petja!«, erschallte es von oben. »Bist du schon wach?«
    Als ich ins Zimmer meines Großvaters hinaufging, beendete er gerade ein Telefonat. »Ja, Maschenka … Vielen Dank, mein Schatz. Johanniskraut? Natürlich, das bring mit! Niemand kennt sich mit Kräutern so aus wie du … Vergiss auch Oregano nicht. Und Schierling …«
    Mein Großvater äugte leicht verärgert zu mir rüber, fast als hätte er nicht damit gerechnet, mich so schnell, noch vor dem Ende seines Gesprächs, zu sehen. Er nickte in Richtung Stuhl. »Immortellen hast du keine gesammelt?«, fuhr er fort. »Schade … Aber doch wenigstens Passionsblumen? Mein Augenstern … Was täte ich bloß ohne dich? Die Passionsblumen werden sich bestimmt gut machen. Hast du schon alles eingepackt? Dann warte ich auf dich. Und ich stelle dir endlich Petja vor. Er sitzt gerade neben mir. Also, bis später.«
    Was für ein seltsames Gespräch. Mein Großvater sprach mit dieser mir unbekannten Mascha wie mit seiner Lieblingsenkelin. Nur dass ich keine Schwestern hatte, nicht mal Cousinen.
    Außerdem hatte er sich nie mit Heilkräutern beschäftigt, desgleichen machte er sich nichts aus Blumen. Folglich musste es ein verschlüsseltes Gespräch gewesen sein, voller Codewörter, die nur die beiden verstanden. Gerade der letzte Hinweis, ich halte mich im Zimmer auf, hatte mich stutzig gemacht. Als wollte mein Großvater Mascha zu verstehen geben: »Ich kann nicht frei sprechen …«
    Nachdem mein Großvater aufgelegt hatte, schwieg er eine gute Minute. »Das war eine Doktorandin aus dem Zentrum in Petersburg«, stellte er dann klar. »Ein sehr begabtes Mädchen. Ja, ich scheue mich nicht, von einem genialen Mädchen zu sprechen … in ihrem Bereich, natürlich.«
    »In der Pflanzenheilkunde?«, fragte ich scheinheilig.
    »So könnte man es auch bezeichnen.« Mein Großvater seufzte. »Heute Abend müssen wir ein ernstes Gespräch führen, Petja. Ein sehr ernstes. Mascha kommt am Nachmittag hierher … Ihr solltet euch schon lange kennenlernen.«
    Mein Gott! Hatte mein Großvater etwa die Absicht, mich zu verkuppeln?
    »Leider geht es dabei nicht darum, euch beide unter die Haube zu bringen …« Wie üblich hatte mein Großvater den Lauf meiner Gedanken erraten. »Hättest du Zeit, in die Stadt zu fahren, Petja?«
    »Klar.«
    »Kauf ein paar Lebensmittel. Etwas Gutes. Und besorge auch eine Flasche anständigen Sekt. Dann noch Bailey’s und Advokaat. Ein halbes Pfund Kaviar. Drei Suchr Schinken, aber keinen fetten. Und einen Betten mageres Kalbfleisch, falls es welches gibt …«
    Ging das wieder los. Mein Großvater liebte Spaße dieser Art. Zu gern pumpte er mir unendlich lange Listen ins Hirn, wobei er obendrein Gewichte, Größen und Mengen in verschiedenen Systemen der Erde und der Galaxis angab. Als Gedächtnisübung … Nie würde ich vergessen, wie mich die ganze Klasse ausgelacht hatte, als ich,

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