Sternenstaub (German Edition)
Wahrheit“, erwiderte sie und ihre Augen leuchteten im Licht der Sterne.
Erneut seufzte der Krieger. „In jedem Zeitalter gab es auch einige wenige Frauen, die den Weg einer Kriegerin gewählt haben.“ Er blickt sie eindringlich an.
„Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben. Als Frau ist es noch einmal sehr viel schwerer, als wenn du ein Mann bist. Du hast tagelang nichts zu essen, schläfst im Freien und kämpfst bis zur totalen Erschöpfung. Manchmal siehst du deine Freunde sterben, das ist wohl das Schlimmste.“
„Und warum habt i hr diesen Weg gewählt?“, fragte sie.
Arnôr betrachtete sie lächelnd. „Weil er mir als der Richtige erschien.“
Tjara biss sich auf die Lippe. „Woher weiß man, dass man das Richtige tut?“
Der Mann legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Das weiß man erst dann, wenn man es versucht hat.“
Tjara nickte ernst, dann seufzte sie und lehnte sich gegen den alten Holzzaun. „Ich bin noch nicht einmal erwachsen, mein Vater bestimmt über mein Leben. Ich werde einen furchtbar langweiligen Mann heiraten, ein langweiliges Le-ben als Bäuerin führen und jede Menge Kinder gebären.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Irgendwann bin ich alt und fett.“
Der Krieger schüttelte lächelnd den Kopf, dann packte er Tjara bei den Schultern und sah ihr ernst ins Gesicht.
„Siehst du diese Sterne am Himmel?“
Sie runzelte die Stirn und nickte, anschließend folgte sie Arnôrs Hand, die nach oben deutete.
„So viele Sterne, wie es am Himmel gibt, so viele Möglich-keiten hast du, deinen Weg zu wählen.“
Tjara wollte ihn unterbrechen, doch er hob die Hand.
„Dein Leben mag dir vorgezeichnet erscheinen und es mag sogar sein, dass du mit dem vermeintlich langweiligen Mann ein glückliches Leben führst, selbst, wenn du dir das heute nicht vorstellen kannst. Aber vielleicht wartet auch ein anderes Schicksal auf dich. Es liegt bei dir.“
„Liegt es nicht“, rief sie und strich sich wütend eine lange dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Mein Vater wird darauf bestehen, dass ich Gromal heirate. Meine Schwester hat mit sechzehn geheiratet, meine Mutter sogar noch etwas früher, mir bleibt doch gar keine Wahl.“
Tränen der Wut schwangen in ihrer Stimme mit.
„Und nur, weil es die Frauen vor dir getan haben, musst du es auch tun?“, fragte Arnôr ruhig.
„Ja, nein ... ich weiß es nicht“, rief sie zornig.
Arnôr blickte ihr erneut tief in die Augen. „Du bist stark, Tjara, das spüre ich. Denke darüber nach, was du im Leben wirklich erreichen willst. Der Weg deiner Schwester und deiner Mutter ist kein schlechter. Du musst nur wissen, ob es auch der deine ist.“ Damit drehte sich Arnôr um und lief zur Hütte zurück.
Eine kurze Weile blieb Tjara stehen und blickte in die Sterne. Dann rannte sie ihm hinterher.
„Was wollt ihr mir denn damit sagen? Was soll ich tun?“
„Denk darüber nach“, erwiderte Arnôr nur und war nicht dazu zu bewegen, noch etwas hinzuzufügen.
Auch diese Nacht blieb für Tjara schlaflos. Am Morgen war sie todmüde und unleidlich. Jón war in ähnlicher Stim-mung. Er hatte ebenfalls lange wachgelegen und überlegt, ob er Arnôr nicht bitten sollte, ihn mitzunehmen. Jetzt bot sich ihm vielleicht die Gelegenheit das zu tun, was er schon immer hatte tun wollen. Ein Krieger werden, Abenteuer erleben, fremde Länder sehen.
Auf der anderen Seite hatte er Angst. Angst davor, sein gewohntes Leben aufzugeben, etwas ganz anderes zu tun, als all die Menschen um ihn herum. Außerdem wollte er Tjara nicht alleine lassen. Unentschlossen standen die bei -den jungen Leute in der Düsternis der ärmlichen Hütte, als sich Arnôr für die Gastfreundschaft bedankte.
Er lächelte Tj ara und Jón an, als er sagte: „Manchmal muss man über die Schwelle treten, um das Licht zu sehen.“
So standen die beiden innerlich ziemlich zerrissen auf dem Dorfplatz, als Arnôr sich verabschiedete und im Morgen -grauen nach Osten ritt.
„ Du hast so viele Möglichkeiten, wie es Sterne am Himmel gibt“, dachte Tjara und Arnôrs Worte hallten in ihr wider.
In der folgenden Zeit mussten Tjara und ihr Cousin sehr häufig an den geheimnisvollen Krieger denken. War es ihm gelungen, Hilfe in Galdrian zu holen? Plötzlich erschie-nen Tjara die sonst so vertrauten Arbeiten auf den Feldern und im Haushalt unerträglich eintönig und sinnlos. Sie fühl-te sich in dem Tal in den Bergen Baldesias eingesperrt und die bevorstehende Hochzeit
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