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Sternenstaub im Kirschbaum

Sternenstaub im Kirschbaum

Titel: Sternenstaub im Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thariot
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diese Weise Geheimnisse zu entreißen, war entwürdigend.
    »Und warum hast du das gemacht?« Musa bohrte weiter.
    »Nein. Das darfst du nicht fragen ... nein ... das darfst du nicht!« Cardamine wand sich am Boden. Es fühlte sich für sie an, als ob eine eiskalte Hand durch den Schlund nach ihrem Herzen griff.
    »Ich darf dich alles fragen! Antworte!«
    »Weil ich dich loswerden wollte ... rein beruflich ... das ist nichts Persönliches.« Jetzt hatte sie der Grünschnabel am Wickel. Das Herrschaftsband brannte auf ihrem Fell. Die Ehrlichkeit schmerzte unerträglich.
    »Die Ginkgo sollten mich lynchen? Und ich soll das nicht persönlich nehmen?«, fragte Musa wenig verständnisvoll und sah ihr in die Augen.
    »Ach, die Ginkgo sind gar nicht so. Dir wäre bestimmt nichts Schlimmes passiert«, beschwichtige Cardamine, »dein Meister hat es doch auch überlebt.«
    »Na dann erklär mir doch dein berufliches Interesse , mich aus dem Weg zu schaffen?«
    »Nein.«
    »Los! Rede!«
    Cardamine konnte nicht anders. Die eiskalte Kralle griff weiter nach ihren Gedanken. »Wegen des Orakels!«, prustete sie atemlos heraus. Als ob sie gerade kurz vor dem Ertrinken war und sich verzweifelt an ein Stück Treibholz klammerte.
    »Was ist mit ihm?«
    »Was soll mit ihm sein? Es ist das Orakel von Granadilla. Ein weißer Drachengeist. Und nebenbei der Letzte seiner Art. Also DER weiße Drachengeist! Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein.« Jetzt war es heraus. Cardamine fühlte nur eine große schwarze Leere in sich.
    »Geht es dir um seine Macht?«
    »Ja«, antwortete Cardamine wie ein geprügelter Hund.
    »Glaubst du etwa , mit ihm in deinen Händen die Welt beherrschen zu können?«, fragte Musa, dem nun ihre verschlagenen Motive klar wurden.
    »Jaa.« Nackter hätte sich Cardamine niemals fühlen können. Dieser Bengel hat te ihr Innerstes ans Licht geholt und in die Wüste zum Verdorren geworfen.
    »Wie bist du gestorben?«
    »Welche Bedeutung soll die Art meines Todes haben?« Cardamine verstand die Frage nicht. Er wusste doch bereits alles, was sich zu wissen lohnte.
    »WIE BIST DU GESTORBEN?«
    »Ich habe mich versehentlich selbst in die Luft gejagt ...«, antwortete sie kleinlaut.
    »Dachte ich mir doch. Vermutlich hattest du auch damals versucht , nach der Macht zu greifen, oder nicht?«
    »Jaaa.«
    »Dann vergiss das nicht!« Mit dem Wissen über Cardamines Motive fühlte sich Musa nicht besser. So oft wie er selbst davon geträumt hatte, die Welt zu beherrschen, im Prinzip hatte ihn nur seine Unfähigkeit davor geschützt, größeres Unheil anzurichten.
     
    »Aber Musa würde nie wie Cardamine werden!«, stand seine Enkeltochter ihrem Helden bei.
    »Ne e. Das würde er nicht. Musa ist cool!«, fügte ihr Bruder bestätigend hinzu.
    » Er war halt noch jung«, erklärte der Großvater.
     
    Vicia ging vor Musa her, während eine Armada von Blattläusen genüsslich die Blätter vertilgten, die bereits recht löchrig ihr Hinterteil bedeckten.
    »Hast du die Blätter ausgesucht?«, fragte Musa.
    »Jaaa.«
    »Werden auch meine Blätter gerade aufgefressen?«
    »Jaaaa.« Cardamine fühlte sich so schlecht.
    »Egal. Die Blattläuse werden es überleben.« Musa blickte Cardamine an. Weder Vicias noch sein eigener Arsch wollten ihn gerade interessieren. »Wie wird Vicia wieder zu dem Mädchen, das sie vorher war?«
    »Zu der Zicke, die aus ihrem Märchenschloss weggelaufen ist? Die, die nackt die halbe Palastgarde der Ginkgo vermöbelt hatte? Oder die, die dich erwürgen wollte?«
    »Genau die.«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer.« Und dabei sagte Cardamine die Wahrheit. »Nur Meister Greisenhaupt weiß, was er ihr gegeben hat.«
    »Das werden wir bald erfahren«, sagte Musa und ging langsam weiter, »Da vorne! Wir sind gleich da. Ich kann schon die Türme sehen.«
    Lerchensporn war bereits in der Ferne zu erkennen. So abgebrannt, wie sie heimkehrten, konnte er sich nicht vorstellen, freundlich empfangen zu werden. Die würden ihn für alles, was er getan hatte, zur Rechenschaft ziehen. Und wie auch zuvor würde ihm niemand helfen.
     
    »Das war richtig mutig von Musa«, befand seine Enkeltochter anerkennend.
    Der Großvater lächelte. »Glaubst du?«
     
    ***
     

Die Mauern von Rosenheide
    Cernus von Steppenkirsche saß in seinem neuen Arbeitszimmer und genoss durch das offene Fenster die frühsommerliche Aussicht. Die volle Kirschblüte vieler Bäume in Lerchensporn war eine Pracht. Vor ihm auf dem Schreibtisch

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