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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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vorgelebt haben, was für sie so lange als das einzig Richtige galt, für uns völlig falsch anfühlen?«
    »Weil die Welt heute eine andere ist?«
    »Genau, Mia. Und genauso verhält es sich auch mit unserer Kultur, den Gesetzen des Lebens und unserer damit empfundenen Denkweise. Es gab vielleicht eine Zeit in unserer loduunischen Evolution, in der die Vernunft oberste Priorität haben musste, um die Gesellschaft zu schützen und auch, um die Welt, in der wir leben, zu erhalten. Aber Iason ist für mich nicht nur ein Teil dieser Gesellschaft, der das Überleben und die Fortentwicklung sichert. Er ist mein Sohn, Mia, und ich bin sehr froh, dass er durch dich in seinem Sinn noch etwas anderes sehen kann als nur den Tod.« Worte eines kriegsgebeutelten Mannes; eines Vaters, der dem Sinn seines Sohnes nicht so wie die Eltern der anderen Wächter mit Freude und Stolz begegnet war. Von Lyra wusste ich: Er hatte bei der Verkündung des Sehers damals geweint.
    In diesem Moment erschien Iason am gegenüberliegenden Rand des Festplatzes. Bo stürmte auf ihn zu und sprang in seine Arme.
    »Ajas«, gab ich mir einen Ruck, »du solltest mit Iason reden.«
    Ajas sah mich an. Stille Sekunden rieselten wie fallende Blätter dahin. Und einen kurzen Wimpernschlag lang glaubte ich zu bemerken, wie seine Augen hellgolden aufschimmerten, ehe sie gleich darauf jeden Glanz verloren. Er wusste genau, dass er mit diesem Gespräch gegen den Kodex seines Volkes verstoßen hatte. Und wenn er Iason seine ehrlichen Gefühle offenbarte, würde das nicht mehr nur ihn allein betreffen. Iasons Gefühl, dass sein Vater sich von ihm fernhielt, stimmte also, aber es geschah aus einem ganz anderen Grund, als er vermutete. Vielleicht ahnte Ajas auch, dass sich Iasons Blick auf die Welt und sein Volk ohnehin schon verändert hatten. Durch sein Leben auf der Erde – und durch mich.
    Ajas stand auf und trat aus dem Schutz der Bäume. »Bo hat mir erzählt, was eine Geschichte ist.«
    Na super. Wie war das noch mal? Ajas hielt Lügen für unehrenhaft.
    Eine Weile noch sah er mich an, wobei mir das Herz tief in die Hose rutschte.
    »Es ist gut, dass du hier bist, Mia«, verabschiedete er sich, dann ging er quer über die Festwiese.
    Puh, das hätte jetzt auch anders ausgehen können.
    Ich sah ihm nach, wie er auf Iason zutrat, woraufhin dieser Bo von der Schulter ließ und mit einer Kopfbewegung zu Jola schickte, die neben einer Feuerstelle stand. Bo schürzte die Lippen, fügte sich aber.
    Ich konnte ihre loduunische Unterhaltung zwar nicht verstehen, aber ich sah ihnen zu, wie die beiden sich unter dem orangenen Licht der zahllosen Lampions gegenüberstanden, und auf Ajas’ Kopfbewegung hin schließlich gemeinsam in Richtung Wald verschwanden. Das Letzte, was ich mitbekam, war, wie Ajas die Hand auf Iasons Schulter legte. Iason hatte recht, sein Vater war ein großartiger Mann.
    Jola, die Vater und Sohn ebenfalls beobachtet hatte, schickte mir ein verschwörerisches Lächeln. Ich ging zu ihr.
    Bo stampfte mit dem Fuß auf. » Immer wollen die Erwachsenen allein sein.«
    »Hey, soll ich dir die Geschichte weitererzählen?«
    Bo musterte mich finster. »Auch wenn ich dich nicht leiden kann?«
    »Na klar.«
    »Darf ich wieder mithören?«, fragte Emmi, die plötzlich, als hätte sie auf diesen Augenblick nur gewartet, wie immer barfüßig hinter mir stand. Sie lächelte.
    Etwas überrascht blinzelte ich sie an. »Unbedingt«, sagte ich erfreut und setzte mich auf eine der Holzbänke. »Ich auch!«, rief eine weitere Kinderstimme und ein Junge, etwa so alt wie Bo kam angelaufen. »Emmi hat mir den Anfang schon erzählt.«
    Die Kinder hockten sich rechts und links neben mich.
    Bo beugte sich vor, um sich an die beiden, die auf meiner anderen Seite saßen, zu wenden. »Aber wir mögen Mia trotzdem nicht.« Er sprach es wie eine Warnung aus.
    »Nein«, kicherte Emmi und der Junge stimmte ihm leicht irritiert zu. Ich verkniff mir ein Grinsen und legte los.
    »Okay«, ich wischte mit den Händen über meine Knie. »Gerdas Suche nach Kay war lang und ermüdend und oh, wie waren ihre Füße wund! Rings um sie herum war es grau und so kalt, dass sie ihren eigenen Atem sehen konnte. Da flogen ein paar Engel herbei, das sind auf der Erde so kleine Lichtgestalten. Sie streichelten ihre Hände und Füße und hielten sie warm.« An dieser Stelle der Geschichte krabbelte ich Emmi an ihrem nackten Zeh. »Ih! Das kitzelt!«, kicherte sie.
    »Erzähl weiter«, forderte Bo

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