Sternenstaub
hatten es bemerkt.
»Hey! Stopp!«, zischte Hell ungewohnt scharf, und als sich der Umriss entfernen wollte, sprang er hinterher. »Stehen bleiben, hab ich gesagt!« Die Zweige wippten und ein wildes Knacken, Rascheln und Rangeln drang aus dem Busch. »Hab ich dich!« Hell zerrte etwas aus dem Gestrüpp, was zunächst wie ein Bündel schmutziger Stofflappen aussah, aus dem aber ein kleines Gesicht mit dunklen zerzausten Haaren und wütend blitzenden Augen hervorschaute.
»Ariel!«, stieß ich schockiert aus.
»Das glaub ich jetzt nicht«, keifte Mirjam.
Ich stürzte zu ihm. »Was machst du denn hier? Bist du uns etwa den ganzen Weg gefolgt?«, rief ich vor Schreck meine Gedanken aus. Ich erwartete keine Antwort. Nicht von Ariel. Aber wider Erwarten sagte er: »Iason hat mich aus Lokondras Lager befreit. Jetzt möchte ich ihm helfen.«
»Dann warst du es, der uns in der Siedlung belauscht hat?«
Ariel nickte.
Ich packte ihn an den Schultern und musste mich schwer zusammenreißen, damit ich ihn nicht durchschüttelte. »Du möchtest uns helfen, ja? Und wie, bitte schön? Indem du uns alle zwingst, auf dich aufzupassen?« Das hatte gesessen.
»Ich kann viel. Schon vergessen?« Seine Augen blitzten auf. »Ich hab dich nach Loduun gebracht. Und ich stifte Frieden, genau wie du.«
»Ich kann’s nicht mehr hören!«, stöhnte Mirjam genervt.
»Das mag ja sein, aber du bist noch ein Kind! Und Kinder sollten nicht hier sein! « Ich holte Luft und zwang mich, etwas ruhiger zu sprechen. »Ich sage dir jetzt, was du tust. Du gehst sofort mit Hell, Luna und Mirjam nach Hause, hast du mich verstanden?«
»Aber …«, setzte Luna wie vor den Kopf geschlagen an, als ich sie schon wieder unterbrach.
»Ich kann euch gar nicht genug danken, für das, was ihr getan habt, aber Ariel darf nicht hier sein. Ihr alle solltet nicht hier sein!«, sagte ich.
Mirjam verschränkte die Arme. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Das hättest du dir früher überlegen müssen!«
In der Tat, das hätte ich.
Und so stiegen wir alle im Schutz der Felsen eine verschlungene Anhöhe hinab, bis wir eine Steilküste erreichten. Empfangen vom Wind und dem Rauschen des Meeres hielten wir uns bei einem kantigen Monolith versteckt.
»Wow!« Miriam wollte gerade auf das Felsplateau vor uns zugehen.
»Miri! Komm zurück!« Blitzschnell zog Hell sie hinter einen vertrockneten Busch. »Mensch, hier oben präsentierst du dich doch wie auf einem Silbertablett!«
Ach ja, brachte sie ihn auch mal an den Rand der Verzweiflung? Allerdings musste ich ihr recht geben, das Bild vor uns war wirklich unglaublich. Jetzt war mir klar, warum alle von der Kraterstadt redeten.
Während sich die Sonne hinten am Horizont auf dem Wasser spiegelte, schlugen hier weit unter uns die Wellen gegen ein gewaltiges Felsmassiv, das uns, weil wir direkt darüber standen, Einblick in einen riesig hohen, terrassenförmig ausgebauten Krater aus Krahja bot, mehr noch, er war gigantisch. Sein Durchmesser betrug mindestens zehn Fußballfelder. Die Terrassen waren nicht einfach so in den Stein geschlagen, nein, sie hatten Einkerbungen, die von innen beleuchtet wie Fenster und Türen aussahen. Warum? Weil die Ostloduuner dort unten vor den Stürmen und Staubteufeln geschützt waren, die sonst regelmäßig das Land hier verwüsteten? Um mich zu vergewissern, sah ich genauer hin. Ja! Es waren Lagerhöhlen und Wohnungen. Wie hundert Ränge in einem Theater sah es aus, mit Brücken, die sich mit den Gebäuden in der Mitte wie zu einem Stern verbanden, und unten bildeten flackernde Elmsfeuer das Parkett.
Der gezackte Krater zog sich bis weit ins Wasser. Oder stand er doch noch größtenteils an Land? So richtig ließ es sich nicht erkennen, weil ein schwammartiges Material den äußeren Fels umrankte.
Hell griff nach Mirjams Hand und folgte meinem Blick. »Die Membran kann bei hohem Wellengang Millionen Liter Wasser aufsaugen und bei ruhiger See resorbiert sie es wieder.« Ich hörte das leise Knacken der Steine unter Mirjams Füßen, als die beiden zu mir kamen. »Der Pflanzengürtel trägt ebenfalls dazu bei, dass genügend Wasser aufgenommen werden kann«, sagte Hell. »Die Folge von dem vielen Wasser sind reiche Ernten, die bei den Staubteufeln auf freiem Feld nicht möglich wären. Deshalb und weil die Stadt ja zu großen Teilen vom Meer umgeben ist, liegen die Felder in Grotten unter den Gebäuden. Das Krahja spendet auch noch da unten genügend Licht.«
Wind wehte durch
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