Sternenstaub
kleinen Mikrofon, das am Kragen seiner schlammfarbenen Uniform befestigt war, Funkkontakt zu irgendwem aufnahm.
»Warte hier«, sagte Lokondra, »ich will sehen, ob ich noch etwas für ihn tun kann«, und er verließ gemeinsam mit dem Drohnen den Raum.
Wieder diese zähe Stille. Die Ungewissheit. Ich blickte aus dem Fenster. Mein Blick glitt über die Skyline, das perfekte Duplikat unseres Nachrichtenzentrums, und den Elektroniktower, aber ich sah sie nicht wirklich. Wie spät war es? Wie lange wartete ich hier jetzt schon? Ein junges, ausgesprochen zartes Mädchen kam herein. Sie war etwa im selben Alter wie ich und hatte einen haselnussbraunen Pagenschnitt, dessen Spitzen bei jeder Bewegung die schmalen Träger ihres Leinenkleids berührten.
»Mein Name ist Guinever«, stellte sie sich schüchtern, aber freundlich vor. »Lokondra schickt mich, um Euch zu dienen, Miss.«
Wie jetzt? Ich bekam eine eigene Dienstbotin? Unter normalen Umständen hätte Lokondra sich seine Magd sonst wohin schieben können, aber hier und jetzt nickte ich nur. Lena hätte mir wohl zu recht eine runtergehauen, wenn sie jetzt bei mir wäre. Ach, Lena. Wie gern wäre ich jetzt an ihrer Stelle und würde mich mit Greta und Frank wegen der Farbe für das Flugschiff vom Feministenverein streiten.
»Du hast einen irdischen Namen?«
Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, das nicht ihres war. »Wir alle hier.«
Tja, was sollte ich sagen? Lokondra lebte seinen Sinn eben voll aus.
»Es ist so schön, dass Ihr bei uns seid, Mia.«
Schade nur, dass ihre Gedanken nicht ihr selbst gehörten. Ich wandte mich ab und sah wieder aus dem Fenster.
»Geht es Euch nicht gut?«, erkundigte Guinever sich sanft. Sie schien ernsthaft besorgt. »Möchtet Ihr etwas trinken?«
Ich schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme, während ich weiter hinausblickte. Und so wartete auch sie schweigend, bis sich eine gefühlte Ewigkeit später die beiden Flügeltüren öffneten.
Mechanisch gingen die Drohnen voran, ich ihnen nach. Lokondra wartete im Flur. Mit einer höflichen Geste, genau wie Iason sonst, ließ er mir den Vortritt. Diese Parallele zwischen den beiden war erschreckend. Unsere Schritte hallten auf dem harten Kunststoffboden wider, es klang wie ein schräges Orchester, das nicht im selben Takt spielte. Iason. Die Angst um ihn schnürte sich so fest um meine Brust, dass mein Atem immer flacher wurde. Worauf musste ich mich gefasst machen? Ein furchtbares Kopfkino spielte sich vor meinem inneren Auge ab und ich schreckte erst aus meinen Gedanken auf, als das Rollband an einem Aufzug endete. Dort wartete eine weitere Drohne, die Lokondra ein weißes Stoffbündel übergab.
Die Aufzugtüren glitten auseinander und wir stiegen ein.
Dann ging es nach unten.
Der Hitzeschild war heruntergefahren und so konnten wir ungehindert in den Verliestrakt eintreten. Schatten zogen über unsere Gesichter. Krahjas schimmerten im Schein der Fackeln. Der schale Geruch weckte in mir sofort wieder das grauenhafte Gefühl, das mich beinahe um den Verstand gebracht hatte, als ich Iason hier bewusstlos zurücklassen musste. Und dieses Gefühl überlief mich wie kochendes Wasser. Jetzt stand ich vor der geschlossenen Tür. Ganz schwach spürte ich seinen Herzschlag und mich erreichte eine Emotion, die nicht meine war. Etwas wie … Hilflosigkeit und Wut über die Erniedrigung. Ich hielt es kaum aus.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich ängstlich.
»Ich hoffe doch zu deiner Zufriedenheit, meine Königin.«
Für diesen Spruch hätte ich ihm am liebsten vor die Füße gekotzt. Aber ich besann mich eines Besseren und straffte die Schultern, als der Drohne die Tür öffnete und mir wieder den Vortritt ließ …
Er saß mit hängenden Schultern und angewinkelten Beinen in der Zelle und hatte die Stirn auf die Knie gestützt. Mirjam war verschwunden.
»Iason«, sagte ich leise.
Langsam hob er den Kopf. Er zitterte und brauchte eine Weile, ehe er mich ansehen konnte. Er wirkte, als könnte er den Kopf fast nicht halten. Das Strahlen in seinen Augen war fort, ausgelöscht, wie lodernde Flammen nach einem bitterkalten Regenguss. Stattdessen war sein Blick glasig, ich wusste gar nicht, ob er mich erkannte. Sie hatten ihn irgendwie gebrochen, diesen stolzen Loduuner an den Boden gedrückt. Was hatten sie ihm angetan?
»Mia«, flüsterte er. Seine Stimme klang so rau und brüchig.
Ich fuhr zu Lokondra herum. »Was ist mit ihm? Wolltest du ihm nicht seine Energie
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