Sternenstaub
auf den Ara.« Er rang nach Atem. »Stimmt es, dass diese Vögel sehr sensibel sind und dass sie sterben, wenn ihr Partner aus dem Leben scheidet?«
Ich nickte. Es war, als würde eine ganze Flut an Empfindungen über mir zusammenschlagen.
Seine.
Meine.
Lokondras Herz wurde schwächer.
Wie viel Zeit blieb ihm noch?
Seine Stimme war kaum mehr ein Flüstern. »Als ich davon erfuhr, erkannte ich Parallelen zwischen ihnen und uns … Auch wir Loduuner sind hochsensibel und unser engster Partner ist der Sinn.«
»Das war’s«, schaltete sich Iason dazwischen. »Wollen wir hoffen, dass die Nachricht sie noch rechtzeitig erreicht.«
»Das wird nichts nutzen«, keuchte Lokondra. »Auch dieser Krieg wird kommen. Weil er in der Natur des Menschen liegt.«
Nein! Nein! Das tat er nicht! Bert hatte dem Präsidenten doch das Gewissen vorgespiegelt.
Iasons sah ihn kurz an, dann widmete er seine gesamte Aufmerksamkeit wieder der Informationsscheibe.
»Und?«, erkundigte ich mich. »Hast du schon jemanden erreichen können?«
»Ja, aber die Kommandozentrale muss die Info erst an den dafür zuständigen Regierungsbeauftragten weiterleiten«, antwortete er, ohne mir den Blick zuzuwenden.
Schwer drehte Lokondra den Kopf und sah mich mit glasigen Augen an. »Um deine Frage zu beantworten, Mia … Sobald wir unseren Sinn erfüllt haben, verlieren wir den Lebenswillen. Wie gesagt … es ist nur eine Sache des Bewusstseins.«
Iason griff nach meiner Hand. Ich dachte an Elai, den Wächter mit den toten Augen. Und mir schoben sich Iasons Worte ins Gedächtnis. Wer seinen Sinn verliert, blickt von da an ins Leere«, hatte er gesagt. »Die meisten nehmen sich irgendwann selbst das Leben, weil sie die Sinnlosigkeit ihrer Existenz nicht mehr ertragen.« Iason aber hatte beide Male überlebt, als er mich verloren glaubte. Weil ihm seine Liebe zu mir wichtiger geworden war als sein Sinn? Konnte es sein, dass er schon lange nicht mehr in Gefahr schwebte, mit der Erfüllung seines Sinns zu sterben? Ich sah ihn kurz an, bis Lokondra wieder die Lippen bewegte.
»Unsere Seher und Chronisten hielten ihre Entdeckungen auf irdische Weise für die Nachwelt fest. In Zeitzeugen, die über Generationen hinweg weitergegeben werden konnten … nämlich in Büchern.« Ein Hustenanfall übermannte ihn und es folgte ein nicht enden wollender Moment, in dem er qualvoll um Kraft rang. Trotz mentalem Schutzschild spürte auch ich seine Energie aus meinem Körper fließen und es schien mir schon, als würde ich nichts mehr erfahren, bis er sich röchelnd wieder aufrichtete. »Sie erschufen eine Art Lexikon, das von Clanoberhaupt zu Clanoberhaupt weitergegeben und mit jeder Mission zur Erde ergänzt wurde.«
Durch das Fenster sah ich Skyto, wie er mit einer neuen Gruppe Drohnen sprach. Aber neben ihm stand noch jemand, der wild mit den Händen gestikulierte. Hell! Skyto musste ihn befreit haben. Auf die Worte der beiden folgte eine Unruhe in der Gruppe und die Ostloduuner schwärmten auseinander, wohl um noch schnell ihr Hab und Gut zu holen, zumindest das, was sie tragen konnten.
»So studierte ich eure Welt und euer Verhalten«, fuhr Lokondra erschöpft fort, »indem ich die Aufzeichnungen las. Nur eines habe ich nicht lernen können. Liebe lässt sich nicht mit Worten erklären.« Sein aufgestützter Arm zitterte, er konnte sich nicht mehr halten. »Durch dich weiß ich nun, sie ist es, woraus ihr eure Kraft schöpft.«
»Das gilt nicht für jeden«, sagte ich leise.
In seinem Blick lag eine Sehnsucht, die mich berührte, weil sie sich so echt anfühlte, so tief. Lokondra hatte einfach nicht lieben können.
Es sollte sich richtig anfühlen, ihn sterben zu wissen – aber das tat es nicht; nicht, nachdem ich in Ariels Vision einen ganz anderen Lokondra gesehen hatte. Nicht, nachdem ich seine Emotionen kannte, insbesondere diese hier. Aber jemanden sterben zu sehen, fühlt sich vermutlich nie gut an, egal, wer es ist.
Der Tumult draußen verdichtete sich. Wahrscheinlich war jetzt vielen Drohnen die Gefahr bewusst, in der sie sich befanden. Iasons Finger trommelten ungeduldig seitlich der Tastatur auf der Hardware.
Auch meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. »Hast du noch immer keine Antwort?«
»Der Regierungsbeauftragte sagt, er kann das nicht ohne den Präsidenten entscheiden und die beiden haben diesbezüglich eine kurzfristige Sitzung einberufen. Die Entscheidung wollen sie uns dann sofort übermitteln.«
Das gab es doch nicht!
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