Sternenstaub
mit dem Kinn zum Sodaautomaten, der im Kühlschrank eingelassen war. »Lieber ein Wasser mit Eis.«
Sie schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. »Loduunischer, hm?« Mit diesen Worten suchte sie vergeblich den Griff der Kühlschranktür.
»Das ist ein modernes Gerät, Mum. Du musst V-y-7 auf der Tastatur dort drücken.«
Sie verdrehte die Augen und zuckte zurück, als der Schacht in der Tür plötzlich einen Becher ausspuckte.
»Mum.«
»Hm?«
»An dem Abend von Lenas Unfall, als Dad mich nach Hause gebracht hat, worüber habt ihr da gestritten?«
Meine Mutter sah mich an und rang mit sich, aber dann meinte sie: »Er hat mir gesagt, dass er wahrscheinlich nicht mehr lange bleiben würde, und wollte mir Geld für uns dalassen.«
Kaum etwas hätte mich zu diesem Zeitpunkt schocken können, aber das schon.
»Das klingt fast so, als wollte er sich freikaufen.«
Sie brachte mir den Becher und ging zurück, um sich selbst einen zu holen. »Das habe ich ihm auch gesagt.«
»Also echt!« Jetzt war ich ebenfalls empört. »Du hast es doch hoffentlich nicht angenommen!«
»Ich habe ihm gesagt, dass er für dich ein Konto anlegen soll, aber was mich angeht, könnte er sich seine Piepen in den Hintern schieben.«
»Glaubst du etwa, ich will was davon?«, sagte ich stolz.
»Gemüse ist aus«, ertönte die schnarchige Computerstimme des Kühlschranks.
Ungeduldig drückte sie auf der Bedienungstafel rum.
»Kroketten vorhanden. – Kroketten …«
»Zur Hölle, wie lässt denn das Ding jetzt einen zweiten Becher raus?«
Ich schlenderte zu ihr und drückte die erforderliche Tastenkombination. Sofort ertönte das Surren des Wasserspenders wie ein erleichtertes Dankeschön für die endlich sachgemäße Behandlung. Ich gab ihr den vollen Becher.
»Er ist dein Dad«, sagte sie plötzlich ganz sanft.
»Ganz super.« Ich hob beide Daumen. »Toller Fehlgriff, Mum.«
Ihre Miene zeigte eine seltsame Milde und sie folgte mir wieder zum rot-weiß gestreiften Sofa. »War es nicht.« Wir kuschelten uns gemeinsam unter die weiche Fleecedecke, die über der Lehne lag. »Dein Vater hat mir das größte Geschenk meines Lebens gemacht. Nämlich dich. Und dafür werde ich ihm immer dankbar sein.«
»Komplizierte Angelegenheit«, sagte ich frustriert. Wie konnte ich ihr erklären, wie es sich anfühlte, so dermaßen unwichtig für den eigenen Vater zu sein?
Meine Mum streichelte mir über die Wangen. »Aber deine Geschichte, egal wie schmerzhaft sie auch sein mag, erklärt dich auch. Und Mia, selbst wenn du es gerade nicht sehen kannst, sie lässt dich wachsen. Was ich damit meine, ist: Aus jedem Scherbenhaufen in uns entsteht etwas Neues. Das klingt vielleicht etwas pathetisch, aber deine Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen hat dich zu der Persönlichkeit werden lassen, die du jetzt bist.«
Meine Finger spannten sich um den Rand meines Bechers. »Wer bin ich denn?«
Sie lächelte. »Zum Beispiel eine starke junge Frau, die um diejenigen kämpft, die sie liebt, weil sie weiß, wie weh es tut, jemanden zu verlieren.«
Und genau so musste ich sein, wenn ich mit Iason zusammen sein wollte. – Nein, bäumte sich in mir ein gewisser Trotz auf, ich würde meinem Dad jetzt nicht auch noch dankbar sein. Wütend wischte ich mir eine Träne fort.
Es war ein Moment der Klarsicht, ein bitterer Moment – aber auch irgendwie ein tröstlicher. Weil sie neben mir saß.
»Sag mal, dass die Verbindungsfeier geplatzt ist«, wechselte ich das Thema, »ich meine, mal abgesehen von den schrecklichen Umständen, hat dich das eigentlich erleichtert?«
Seufzend nahm sie einen Schluck Wasser. »Mia«, sie blickte mich fest an, »Iason wird wiederkommen. Hier ist seine Schwester, hier bist du. Sobald er seine Angelegenheiten geklärt hat, kommt er zurück.«
Ihre Zuversicht tat so gut. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, warum genau Iason gegangen war. Wir hatten sie glauben lassen, dass er mit seinem Vater dringend Auge in Auge sprechen musste, auch weil er sich noch immer die Schuld für den Tod seines zweitjüngsten Bruders gab und bis heute nicht wusste, wie sein Vater dazu stand – was grundsätzlich ja auch stimmte.
»Und was dich angeht«, fuhr sie nun wesentlich sanfter fort, »du musst mehr und mehr deinen eigenen Weg gehen … und ich muss damit klarkommen, egal wie sehr es mich verletzt.« Sie versuchte, ihre Gefühle mit einem zittrigen Lächeln im Griff zu halten. »Ich werde mich dabei manchmal fürchterlich aufführen,
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