Sternenwind - Roman
war. Sie lachten sogar.« Paloma hielt für einen Moment inne, und ihr versonnener Blick entspannte ihre Gesichtszüge.
Joseph rückte sich nervös zurecht, ohne Paloma aus den Augen zu lassen.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie Jenna lachte. Wie sie als unversehrte, schöne Frau ausgesehen hatte. Gestern hatte sie häufiger als sonst gelächelt. Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühte, ich konnte mir Jenna nur mit einem Auge vorstellen.
»Aber mit der Zeit erstarb Jennas Lachen«, fuhr Paloma fort. »Als wir und die Modifizierten uns mit immer größerem Misstrauen begegneten, wurde ihr Gesicht zu einer Maske aus Stein. Sie schien stets alles ganz genau zu registrieren. Irgendwann wirkte sie auf mich nicht mehr schön, sondern nur noch überheblich, wie eine Eiskönigin, die geschickt worden war, um über uns zu wachen. Ich habe einige Streitgespräche zwischen den Modifizierten und unseren Anführern mitgehört, aber ich kann mich nicht erinnern, dass Jenna sich an diesen Auseinandersetzungen beteiligt hätte. Wer von uns noch bei den Eltern lebte, durfte diese Treffen nicht besuchen, aber wir erhielten die Informationen aus zweiter Hand, oder indem wir an verschlossenen Türen lauschten.« Ein geisterhaftes Lächeln flog über ihr Gesicht und verschwand wieder. »Therese und Steven waren älter als wir und durften manchmal teilnehmen. Sie erzählten uns, dass Jenna von den Modifizierten wie eine wichtige Persönlichkeit behandelt wurde. Sie fragten sie häufig um Rat und brachten sie fast zu jedem Treffen mit.«
Paloma rührte sich, um ihr Bein zu verlagern. Tom reichte ihr eine Tasse Wasser. Sie nippte daran und stellte die Tasse neben sich ab.
»Dann ging der Krieg los. Die Modifizierten hatten ihr Lager vor Artistos aufgeschlagen, auf dem Feld hinter den Gebraställen, wo wir jetzt Hanf anbauen. Ein paar junge Männer aus ihren und unseren Reihen gerieten aneinander. Menschen starben, und die Modifizierten, die nicht mehr bei ihren Schiffen auf der Grasebene waren, zogen sich über den Hochweg zurück, um sich in der Nähe der Seen anzusiedeln. Nach dem Krieg fanden wir drei Lager, die wir niederbrannten. Hunter drängte uns dazu.« Sie blickte auf ihre Hände. »Aber ich schweife schon wieder ab. Man kann sich so leicht in dieser Zeit verlieren.« Sie verstummte und kaute auf der Unterlippe. In ihren Augen stand Herzschmerz, der sich über die Fältchen ihres Gesichts ausbreitete.
»Wie hat sie den Arm verloren?«, fragte Alicia nach. »Und das Auge?«
Tom sah Paloma an und nickte. »Ich war dabei«, nahm er den Faden der Geschichte auf. »Es war einer der letzten Kämpfe. Ich hatte Jenna nie kämpfen sehen, zumindest nicht direkt. Einige Modifizierte, die hierherkamen, waren nur leicht verändert, so wie ihr. Die Kämpfer waren die Ungewöhnlichsten von ihnen, denn sie waren uns körperlich weit überlegen. Sie hatten zusätzliche Arme oder Beine oder Reflexe oder … einer hatte vier Augen, zwei davon im Hinterkopf. Es gab viele, die so waren, und sie konnten uns ohne Schwierigkeiten töten.« Er öffnete die Klappe des Ofens und legte zwei Holzscheite nach. »Aber wir waren mehr. Also war uns in der Endphase des Krieges klar, dass wir entweder siegen oder sterben würden. Aber der grundsätzliche Verlauf dieses Kampfes müsste euch bekannt sein.«
Jeder in Artistos kannte die Geschichten und Lieder. In ihrer Verzweiflung hatten die ursprünglichen Menschen ihre gesamten Reserven in einen einzigen Kampf bei einem kürzlich entdeckten Lager geworfen. Dort hielt sich die Hälfte der noch übrigen Modifizierten auf, weil sie sich dort sicher fühlten oder sich zu irgendeinem anderen Zweck trafen. Wir haben nie erfahren, wie es zu dieser günstigen Gelegenheit gekommen war. Aber Hunter war entschlossen, sie auszunutzen. Zum ersten Mal starben sie und nicht wir. Beziehungsweise andersherum. Es bereitete mir leichte Kopfschmerzen, dass ich zu beiden Seiten gehörte. »Ja, wir kennen die Geschichte«, beantwortete ich Toms Frage.
»Ich habe an diesem letzten Kampf teilgenommen. Genauso wie Steven und Therese und fast alle anderen. Nava schickte Nachrichten hin und her, zwischen den Kämpfern und Artistos. Paloma arbeitete in unserem Feldlazarett. Der Kampf war … schrecklich.« Er schloss kurz die Augen, und Paloma drückte seine Hand, um sie wieder loszulassen, bevor er fortfuhr. »Die Einzelheiten spielen jetzt keine Rolle. Wir dachten, wir hätten alle getötet, als Geordie drei Modifizierte
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