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Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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»Ich glaube, ihr habt nur überlebt, weil wir zu diesem Zeitpunkt genug vom Töten hatten.«
    Ich schluckte und nahm Kayleens Hand. Sie rückte etwas näher an mich heran.
    Paloma flüsterte, während sie Kayleen aufmerksam musterte. »Ich bin froh, dass wir es nicht getan haben … dass ihr hier bei uns seid.«
    »Ich auch«, sagte ich.
    Paloma hob eine Hand, um uns zum Schweigen zu bringen. »Wir alle waren so sehr damit beschäftigt, uns zu erholen und die Stadt wiederaufzubauen, dass wir nicht mehr nach Jenna suchten. Das Schiff war abgeflogen, unsere Feinde waren nicht mehr da. Wir hatten es bestenfalls mit einem einzigen schwer verwundeten Feind zu tun. Anfangs war Hunter davon überzeugt, dass Jenna überlebt hatte, und stellte Wachen auf. Als wir nach einem Monat immer noch nichts von ihr gesehen hatten, gingen wir davon aus, dass sie schließlich doch gestorben war. Wir sahen sie erst im folgenden Winter wieder, der besonders kalt war. Sie trieb sich am Stadtrand herum. Irgendwie gelang es ihr, sich an der Alarmanlage vorbeizuschleichen. Sie wurde gejagt. Manche wollten sie töten, manche wollten sie einfangen. Sie konnte uns mühelos entkommen, sie war erstaunlich schnell. Und sie fügte niemandem Schaden zu. Manche Leute berichteten von fehlenden Maiskolben oder einer kleinen Ziege, aber niemand konnte stichhaltige Beweise vorlegen. Sie musste viele Möglichkeiten gehabt haben, den einen oder anderen von uns zu töten, aber sie nutzte sie nicht. Nach einiger Zeit fing sie an, Raubtiere zu erlegen und sie im Schutz der Dunkelheit in die Stadt zu bringen, so dass wir immer wieder tote Tatzenkatzen oder ganze Rudel von Dämonenhunden fanden.«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich vorsichtig. »Ich weiß noch, wie die Leute sie gejagt haben.«
    Paloma veränderte erneut ihre Position, und ihre Augen sahen immer noch schmerzerfüllt aus. »Ich bin mir sicher, dass sie sehr einsam ist. Ich kann mir vorstellen, dass sie es sehr genossen hat, den heutigen Tag mit euch zu verbringen.«
    Ich nickte.
    In Palomas Stimme schwang ein sehnsüchtiger Unterton mit. »Ich würde gern wissen, ob sie euch interessante Geschichten erzählt?«
    Ich stemmte mich hoch. »Sie scheint es nicht gewohnt zu sein, viel zu reden.«
    Paloma nickte. »Ja, das glaube ich auch.«
    Joseph starrte auf seine Hände, in denen er den Lederriemen hielt. »Weißt du, ob unsere Eltern mit der Fernfahrt aufbrachen oder ob sie hier gestorben sind?«
    Paloma schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, wer sie waren.«
    Mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. Therese und Steven hatten mir das Gleiche gesagt.
    Wir alle waren ungewöhnlich leise, als wir uns aufs Schlafengehen vorbereiteten. Tom blickte zu uns herüber. »Ihr drei seht müde aus. Ich werde heute die erste Gebrawache übernehmen. Kayleen kann mir Gesellschaft leisten. Wir werden Joseph und Chelo später wecken.«
    Joseph war die Erschöpfung anzuhören, als er antwortete. »Einverstanden. Tom, lässt du mich morgen an den Knoten arbeiten? Ich glaube, ich schaffe es jetzt.«
    Tom nickte und lächelte Joseph zu. Dann schlüpfte er mit Kayleen leise zur Tür hinaus.
    Ich kroch unter meine Decken und war dankbar dafür, still und horizontal liegen zu können – und dass die erste Wache an mir vorbeigegangen war. Mein Körper entspannte sich viel schneller als mein Bewusstsein. Hatte Jenna entschieden, sich der Aufgabe zu widmen, uns zu beschützen? Was wollte sie von und für uns? Was konnten wir ihr als Gegenleistung bieten, nachdem wir jetzt fast erwachsen waren?
    Für mich war es immer darum gegangen, der Kolonie zu helfen, damit wir in Sicherheit waren, damit wir Vorurteile abbauen konnten, damit man uns erlaubte, mit einer gewissen Freiheit unter den Menschen leben zu können. Manchmal ging es einfach nur ums Überleben. Doch heute schien mir das nicht genug zu sein. Sicherheit war nicht unbedingt ein lohnenswertes Lebensziel, und Überleben war einfach nur Instinkt. Wir hatten keine Träume, keine Ziele.
    Jenna hatte recht. Wir mussten uns bewusst machen, was wir wollten.
    Wo war Jenna jetzt? Übernachtete sie in der Höhle, oder kauerte sie irgendwo in der Nähe, um die Hütte zu bewachen, uns zu bewachen?
    Mir kam es vor, dass ich nur wenige Minuten geschlafen hatte, als Kayleen an meiner Schulter rüttelte. »Wach auf«, flüsterte sie. »Wachablösung.«
    »Hmmmm … ist irgendwas passiert?«
    »Ja. Wir haben gefroren. Nimm Decken mit.«
    Wie recht sie hatte. Die kühle Nachtluft

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