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Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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entdeckte, die vor uns wegliefen – Jenna, ein Mann und ein Kind. Wir hatten kaum noch Waffen übrig, nur selbstgebaute Raketenwerfer und einige Betäubungswaffen, deren Leistung wir gesteigert hatten, damit sie töten konnten. Das Kind war zu jung, um selber laufen zu können. Jenna hielt es an sich gedrückt. Wir konnten das Kind sehen, aber wir waren jahrelang von den Modifizierten unter Beschuss genommen worden. Dabei hatten wir unsere Eltern, unsere Geschwister und unsere Kinder verloren. Unsere Wut brannte wie Feuer. Im Nachhinein gibt es keine Entschuldigung, warum wir auf Feinde geschossen haben, die die Flucht ergriffen hatten.« Er schluckte und räusperte sich. »Warum wir auf ein Kind geschossen haben.«
    Tom strich sich über die leichten Bartstoppeln an seinem Kinn, stand auf und streckte sich. Er ging zur Tür und öffnete sie, um nach den Gebras zu sehen. Die kühlen Abenddüfte nach feuchtem Gras und fließendem Wasser konkurrierten mit dem Geruch des würzigen Eintopfs.
    Ich blickte mich um. Kayleens dunkle Augen tränten, und sie blickte in eine Ecke, von uns abgewandt. Ihre Haut war weiß. Joseph wurde unruhig. Offenbar fiel es ihm schwer stillzusitzen. Tränen liefen lautlos über Alicias Gesicht.
    Wir warteten, dass Tom weitersprach, und beobachteten ihn, als er sich sorgfältig wieder neben Paloma setzte. »Geordie jagte ihnen eine Rakete hinterher. Beim Abschuss wird es recht laut. Der Mann, der bei Jenna war, hörte es und hatte noch genug Zeit, sich umzudrehen und auf Geordie zu feuern. Sie reagierten unglaublich schnell, als könnten sie unsere Absicht wahrnehmen, bevor sie uns selber bewusst wurde. Vielleicht hatte er auch gehört, wie Geordie den Raketenwerfer bereitmachte. Ich weiß es nicht.« Tom fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Geordie hatte gut gezielt. Die Rakete explodierte genau in der kleinen Gruppe. Die Geschosse waren gefüllt mit Schrapnellen, Metallsplitter, die mit der Explosion verstreut werden. Also hätte alles, was sich in der Nähe der Rakete befand, sterben müssen. Ich lief den Hügel hinauf zu Geordie und musste feststellen, dass er einen Kopfschuss abbekommen hatte. Er starb, während ich ihn zurücktrug. Ich machte mir nicht die Mühe, nach der Gruppe zu sehen. Wenn ich es getan hätte, wenn ich gesehen hätte, dass Jenna noch lebt, hätte ich sie auf der Stelle getötet.« Er griff nach Palomas Wasserglas und nahm einen Schluck. Ich dachte schon, er wäre fertig, aber dann sprach er weiter. »Darüber habe ich in den nächsten Jahren oft nachgedacht. Dass es vielleicht besser für sie gewesen wäre, wenn sie an diesem Tag gestorben wäre.«
    Der Subtext war immer der gleiche, ob er nun von Tom oder Nava kam. Wenn wir einfach alle getötet hätten, auch Jenna, auch euch Kinder, wäre unser Leben wesentlich einfacher.
    Vielleicht hatte Joseph die unausgesprochenen Worte ebenfalls gehört. Seine Hände hatten sich so sehr verkrampft, dass die Knöchel weiß hervortraten, aber seine Stimme klang ruhig und vernünftig. »Aber dann hätte Jenna nicht für die Sicherheit der Bewohner von Artistos sorgen können.«
    Tom runzelte die Stirn. »Solche Dinge sind nicht so simpel, wie sie erscheinen.«
    Paloma setzte die Geschichte fort. »Zwei Tage später war ich mit einem Aufräumtrupp auf dem Hügel. Hunter hatte uns befohlen, die gesamte Umgebung abzusuchen und alle Waffen der Modifizierten, alle Leichen, Artefakte, Nahrungsmittel … alles … auf einen großen Haufen zu werfen, damit es verbrannt werden konnte. Also sahen wir uns auch das an, was Geordies Rakete übrig gelassen hatte. Wir fanden Teile des Kindes und des Mannes und eine Hand, die offenbar zu Jenna gehört hatte. Zwei von uns folgten einer blutigen Spur, eine Stunde lang, bis wir sie verloren. Nachdem wir unseren Fund gemeldet hatten, versuchte Hunter es selber. Aber auch er verlor Jennas Fährte irgendwann. Dann musste Hunter zurück in die Stadt, wo die Debatte losgegangen war, was mit euch sechs geschehen soll.« Sie hob den Blick und sah uns nachdenklich an.
    Tom brach die Schweigepause mit sanfter Stimme. »Beim letzten Kampf töteten wir sehr viele von ihnen. Ohne jede Rücksicht. Wir konnten nicht anders. Aber wir haben uns selbst dafür gehasst.« Er sah mich an. »Wie hast du dich gefühlt, Chelo, als du das Djuri erlegt hast?«
    Ich zögerte. »Am Ende, als es bereits zu spät war, wollte ich es gar nicht mehr töten.«
    Tom nickte und wartete einen Moment, bis er weitersprach.

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