Sternenwind - Roman
als selbst den Baum hinaufzuklettern. Die grau-braunen Furchen verliefen vertikal den Stamm hinauf, so dass man darin kaum Halt mit den Zehen fand. Außerdem ragte der Stamm des kleinsten Baums ganze zwölf Meter in die Höhe, bevor der erste Zweig kam. Seufzend stand ich vor dem Baum und spürte die Herbstblätter und kleinen Zweigstückchen unter den Sohlen meiner bloßen Füße. Ich legte eine Hand an den Baum und versuchte mich zu erinnern, wie Jenna mit dem Aufstieg begonnen hatte.
Kayleen rief von oben herunter. Sie war bereits zur Hälfte hinaufgeklettert, wobei sie die langen Füße fast wie zusätzliche Hände benutzte.
Ich versuchte es mit einem kleinen Sprung. Ein Fuß fand keinen verlässlichen Halt, und der andere rutschte ganz ab, worauf ich mit den Knien auf dem Boden landete. Ich versuchte es erneut, mit fast dem gleichen Ergebnis. Dann blieb ich ruhig stehen und musterte den Baum. Es musste um Kraft und Gleichgewicht gehen. Jenna hatte sich fast vertikal gehalten. Ich probierte es wieder, mein Bauch war nicht weit von der groben Rinde entfernt, und ich benutzte beide Hände, um den Stamm halb zu umfassen. Auf diese Weise schaffte ich ganze zwei Meter, bis ich wieder den Halt verlor und abstürzte. Dabei stach mir etwas in die Fußsohlen.
Kayleen winkte mir von den ersten Ästen des Baums zu. Ihr lachendes Gesicht wurde von den großen grünen und gelben Blättern eingerahmt.
Beim nächsten Mal schaffte ich zehn Meter, bis ich feststeckte. Ich hatte Angst, wieder runterzuklettern, war mir aber auch nicht sicher, wie ich weiter hinaufkommen sollte. Meine Arme zitterten, da es große Kraft erforderte, mich festzuhalten.
»Entspann dich«, rief Kayleen mir zu.
Ich schloss die Augen. Wahrscheinlich war es gar nicht so schwierig, wie es aussah, wie es sich anfühlte. Jenna schaffte es mit einem Arm, also konnte ich es mit zwei Armen locker schaffen. Ich setzte den Aufstieg fort, langsam und vorsichtig, einen Schritt nach dem anderen, den Körper parallel zum Stamm. Ich blickte weder nach oben noch nach unten, nur auf die Rinde genau vor mir, registrierte die Unregelmäßigkeiten in den Furchen und die Stellen, wo Holzameisen oder Sommermotten ihre Nester gebaut hatten.
Ich zählte meine Atemzüge und die langsamen, unsicheren Schritte.
Mein Kopf stieß gegen etwas Hartes. Ein Ast. Ich griff nach oben, fand einen sicheren Halt, und nun wurde das Klettern einfacher. Ich trat auf die Äste, zog mich hoch und war schließlich von so vielen breiten grünen Blättern umgeben, dass sie mein Vorankommen erschwerten. Am Ende jedes Blattes wuchs ein böser Stachel, und einer ritzte mir die Schulter auf. Ein kleiner Blutstropfen trat hervor. Ich blickte mich um. Keine Pongabeeren in Sicht.
Kayleen stand nun am Fuß meines Baums. »Weiter rauf und dann nach links.«
Ich folgte ihren Angaben und fand schließlich eine dicke Beerentraube. Dahinter erkannte ich die Wiese, die Gebras und den Rauch, der von der Hütte aufstieg. Die Mittagssonne tanzte auf dem See und spiegelte sich überall auf den Bächen, die durch das Tal liefen. Ich blickte nach unten und wünschte mir, ich hätte es nicht getan. Kayleen sah sehr klein aus.
Zielstrebig griff ich nach dem Stängel der Traube und zog daran. Er saß fester, als ich gedacht hatte, also verstärkte ich den Zug. Dann trennte sich der Stängel mit einem Knacken vom Ast, und ich hätte fast das Gleichgewicht verloren und die Beeren fallen lassen. Ich klemmte mir den Stängel zwischen die Zähne, wie Jenna es getan hatte, und machte mich an den Abstieg. Runter ging es leichter, aber trotzdem zog ich mir zwei weitere Kratzer am rechten Unterarm zu. Die letzten paar Meter rutschte ich ab.
Kayleen musste mich auffangen, damit ich nicht auf dem Hintern landete. Zum Glück besaß sie den Anstand, keine Miene zu verziehen. »Gut gemacht«, sagte sie nur.
Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus, als ich sah, dass sie zwei dicke Trauben aus roten Beeren in den Händen hielt. Wir hatten genug gesammelt.
Wir setzten uns auf den Boden, neben uns die Beeren, und ich zog das Kästchen aus der Tasche und zeigte Kayleen, wie man es einschaltete. Darin befand sich immer noch der Speicher, den Jenna in der Höhle hineingetan hatte. Das erste Bild, das sich schimmernd aufbaute, zeigte Silberheim. »Das ist die Welt, die wir in der Höhle sahen, den Planeten, den Jenna als Silberheim bezeichnete.«
Kayleen betrachtete mit erstaunt aufgerissenen Augen die winzigen silbernen
Weitere Kostenlose Bücher