Sternenwind - Roman
aus?«
Tom zögerte kurz, bevor er Antwort gab. »Gut, aber ich glaube nicht, dass wir schon auf ihr reiten sollten. Vielleicht können sich Chelo und Joseph ein Gebra teilen.«
Alicia drehte sich wieder zu uns herum und nahm die Hände vom Gesicht. Von den Tränen waren ihre Wangen feucht und rot. »Wir müssen nicht alle reiten. Wir sind gut zu Fuß. Du kannst Tinte nehmen, und ich werde laufen. Wenn ich müde werde, tausche ich mit jemandem.«
Erneut sah ich, wie Tom seine erste Reaktion unterdrückte. Er nickte knapp. »Also gut, dann lasst uns packen. In etwa zwei Kilometern kommt ein schwieriger Wegabschnitt. Wir müssten ihn bis zum Abend geschafft haben, wenn wir in spätestens einer halben Stunde zum Aufbruch bereit sind.«
Wir brauchten eine Dreiviertelstunde, um unsere Sachen zu packen, aber als wir losritten, hatten wir noch mindestens vier Stunden Tageslicht vor uns. Es ging zum schmalen Ende des Tals und dann weiter um den See herum. Wir folgten einem Strandweg, der sich zwischen dem Wasser und bewaldeten Klippen hindurchwand, von denen immer wieder kleine Wasserfälle tröpfelten.
Alicia lief ein kleines Stück voraus. Die Gebras waren ein wenig schneller als unser normales Gehtempo, so dass Alicia genug Zeit für kurze Abstecher hatte und Steine ins Wasser warf oder, die Hände in die Hüften gestemmt, auf uns wartete.
Nach einer Weile stieg Joseph ab und reichte mir Sprinters Führungsleine, um ein Stück mit ihr zu laufen. Sie lachten und machten sich gegenseitig auf Wasserfälle aufmerksam. Sie sahen aus wie gesunde junge Götter.
Ich kraulte Tigers Ohren. »Ach, mein Mädchen, ich würde auch gern laufen, aber irgendwer muss weiterreiten und die Packtiere führen.« Tiger drehte den Kopf zu mir herum und zog die Oberlippe hoch, was ich als Gebra-Version eines Lächelns interpretierte.
Hinter einer Biegung des Weges stießen wir auf eine Klippe, die beim Erdbeben eingestürzt war. Grauer Schotter und braune Felsen, herausgerissene Büsche und zertrümmerte Bäume waren auf den Weg und in den See gestürzt. Tom ritt daran entlang, auf der Land- und der Wasserseite, um nach einem gangbaren Weg zu suchen.
Joseph und Alicia kletterten auf die eingestürzte Böschung. »Hier sind Djuri-Fährten«, rief Alicia zu uns herunter. »Wenn wir die Gebras an der Leine führen, müsste es gehen.«
Joseph trug Paloma. Tom führte zwei Packtiere, während ich Tiger und Sprinter übernahm. Alicia kümmerte sich um Zuckerweizen und Tinte, und Kayleen nahm Sand und ihr eigenes Gebra Schmalstirn an die Leine. Auch ohne unser Gewicht versanken die Tiere stellenweise bis zu den Knien im lockeren Boden. Wir selbst steckten manchmal knöcheltief im Sand, und einmal brach ich bis zur Hüfte ein, worauf Kayleen mich mit einem Strick wieder herausziehen musste. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir die eingestürzte Böschung überwunden hatten.
Erschöpft ritten wir eine Stunde weiter. Ich fragte mich bereits, wann wir endlich anhielten, aber Tom schien ein ganz bestimmtes Ziel im Sinn zu haben. Schließlich überquerten wir einen kleinen Hügel. Und dahinter, mitten in einem Tal, das offenbar gerodet worden war, stand der größte Zeltbaum, den ich je gesehen hatte. Unter dem Blätterdach hätte ein Gildehaus Platz gefunden.
Wir schlugen unser Lager unter dem Baum auf, nahe am dicken verzweigten Stamm. Die Gebras banden wir auf der anderen Seite an, aber immer noch unterhalb des Blätterdachs. Die Alarmanlage stellten wir am Rand des Baums auf, und während der Nacht blieben immer zwei Leute wach, die sich um ein kleines Lagerfeuer kümmerten. Keine Tiere belästigten uns, aber es war auch nicht der geeignete Ort, um den Projektor zu benutzen.
Tom teilte Alicia und mich für die letzte Nachtwache ein, die wir verschlafen am Feuer verbrachten, das wir mit kleinen Zweigen fütterten. Es sollte weder ausgehen noch groß genug werden, um das Blätterdach zu verräuchern oder gar dem Baum gefährlich zu werden.
»Hast du jemals einen so großen Zeltbaum gesehen?«, wollte ich von Alicia wissen.
»Ja … zweimal. Einer ist sogar noch deutlich größer. Sky sagte, dass er über tausend Jahre alt sein muss.«
Ich blickte zum dichten Blätterdach hinauf. Die unteren Blätter waren gelb vom Mangel an direktem Sonnenlicht. Der Baum knarrte und ächzte, begleitet von einem gelegentlichen Knacken, und die Blätter rieben sich raschelnd. »Es klingt, als würde er für uns singen, Alicia. Als würden wir sein Lied
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